Freitag, 22. Juni 2012

A-03 AUTO IM REGEN

1

Auto im Regen, und jemand hat Angst
vorm Donner draußen. Man ist verführt,
zurückzublicken, etwas von damals
aufzutischen, ins schöne Gesicht nebenan,
direkt in den schönen Mund. Und hinter dir das Kind,
das zuvor immer wieder in die Höhe sprang,
mit Händen, die den Himmel berühren wollten.
Jetzt siehst du auch den Mann, der bei jedem
seiner Sprünge die Arme ausbreitet und klatscht

2

es ging um Verrat, Demütigung und Macht.
Zwischen die Räder der Eltern kam ein Kind,
das nun ein Mann ist, der sich nicht rechtfertigen will.
Die Schöne mit dem rasierten Kopf balanciert
auf einem Band zwischen zwei Bäumen ohne
zu fallen. Sie geht dir danach gleich zur Hand,
indem sie deine Einladung nicht annimmt.
Auf den Cent genau gibt sie dir ihren Anteil zurück

3

natürlich eine Ehegeschichte, und du warst viel
zu jung, um Widerstand zu leisten. Es gab
ein Haus nur im Kopf, aber ein Kabinett zum Wohnen
für das Paar, immer Zeuge unermüdlicher Elternarbeit,
schon am frühen Morgen. Noch im Halbschlaf trat
Sex so oft heran, auch die Kunst als leichtsinnige
Lebenshochstimmung, die eine Zukunft verstopft hat

4

Vertrauen war eine Falle, ist es noch jetzt. Jeder Mensch,
dem du vertraust, entpuppt sich als einer, der unermüdlich
auf die Rätselhaftigkeit seines Kopfes pocht.
Du hörst dir zu und hörst kein Rätsel.
Du schlägst dich mittels Vernunft durch, auch wenn es
um Verbindlichkeiten geht zwischen den Hirnhälften

5

ein Geburtstag folgt auf den andern. Nie bist du
zufrieden mit jenen, die schon vorbei sind. Es sind
nicht die deinen, die dich so leichtfertig machen,
daß du die Hand drauf halten willst. Du wirst fügsam,
wenn die Mädchen die Haare fliegen lassen. Wenn sie
auf den Handys mit schnellen Fingern Dinge
skizzieren, die dann in der gegenteiligen Welt
erkannt und prompt weitergeschickt werden - Flasche,
Hals, Hirn, Zigarette, Becher, Asthma, Trostbonbons

6

viele Möglichkeiten in den Augenwinkeln – das
ist nicht dein Fall. Du lauerst nicht, bedauerst dich
auch nicht wegen einer Muskel- oder Venenschwäche.
Du nimmst die Gläser wahr, wie sie sind, zugleich
voller Sehnsucht, wie ein Kind auch im vollen
Genuß der Prohibition. Grammatik ist noch nicht
wirksam eingedrungen, feingliedriger Satzbau
eine noch schwierige Kunst. Du siehst dich
an einem Ofen, in dem es hellauf feuert. Die linke
Seite erstaunlich heiß, die rechte kalt und starr

7

wenn das Auto wegfährt, ist das keine Transition.
Das schöne Gesicht schnell vergangen, auch das Kind,
das sich hinterm Buch versteckt hielt. Es war eine Stimme
von hinten, die Erwachsensein reklamierte. Es war
ein Mädchen, das Überschläge perfektionierte, immer
mit einem kleinen atemlosen Aufschrei, als wär sie
auf dem Damentennisfeld. Du wirst den Finger draufhalten,
nichts wird explodieren oder sich ins strömende Out
katapultieren. Hier drinnen bleibt alles sehr lang still

(Sonntag, 10.06.2012, 22.41)

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Free Text (1)

Dieses Weblog wird hier archiviert.

Archiv (ab 1967)

Lyrikbände:

Der zarte Leib

Friede den Männern

Das leere Kuvert

Eurotunnel

Obachter

Schreibzimmer

Romane:

Die Berliner Entscheidung

Originalverpackt oder mit Widmung über e.a.richter(ett)gmx(punktt)at erhältlich.

„...Dies ist der Versuch eines komprimierten Familienromans, zugleich ein Reisebericht, der an einen Ort führt, wo die Kriegsschäden an den Menschen und deren Behausungen noch unverhüllt sichtbar sind. Lena und Stefan, von den gegensätzlichen Seiten der Geschichte kommend, unternehmen, sich zwischen Überlebenden und deren Nachkommen bewegend, einen Versöhnungsversuch...“ (Klappentext)

Fliege. Roman eines Augenblicks

Aktuelle Beiträge

0126-1b A KIND OF DEPARTURE
the lady of the house speech-impaired since an incomprehensible...
e.a.richter - 2015-12-30 07:09
0126-1a AUCH EIN ABGANG
die gnädige frau sprachgestört wohnt sie seit einem...
e.a.richter - 2015-12-26 03:43
0107a - THE TEACHERS
the teachers leave the school the prettiest teacher...
e.a.richter - 2015-12-23 21:27
DT-001 FETISCH
(YVONNE) ihre weiße Bluse steif, ein Fetisch, der...
e.a.richter - 2015-12-21 12:12
DZL-18 DAS BETT
das Bett, das alles verraten wollte und nichts verriet:...
e.a.richter - 2015-10-07 04:22
DZL-17 PUPPI
was zu sehen ist, in einzelne Stücke zerlegen; alle...
e.a.richter - 2015-06-02 08:44
DZL-01 WIR GLAUBTEN AN...
wir glaubten an das Blut. Dieses Wir ist mit Vorsicht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:59
DZL-02 MEIN PATTEX
mein Zauberer hieß nicht Pattex, nicht Expatt. Er lebte...
e.a.richter - 2015-05-07 13:58
DZL-03 DER ZARTE LEIB
Zartleibigkeit wird vermißt, auch intensive Zartlebigkeit....
e.a.richter - 2015-05-07 13:56
DZL-04 - ZU MEINER ZEIT
zu meiner Zeit war gar keine Zeit. Die Zeit hatte sich...
e.a.richter - 2015-05-07 13:55
DZL-06 IN DIE HÖHE SINKEN
schwierig zu lesen: Er begriff seine Geschichte. Blatt...
e.a.richter - 2015-05-07 13:53
DZL-07 TISCHLERPLATTE
mein Vater, Tischler, hatte keine Tischlerplatte, er...
e.a.richter - 2015-05-07 13:52
DZL-08 GOLD, GLANZ, HEITERKEIT
sie sagt, ich bin älter als mein Vater, als er zu...
e.a.richter - 2015-05-07 13:51
DZL-09 WIR GLAUBTEN AN...
wir glaubten an das Blut. Dieses Wir ist mit Vorsicht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:51
DZL-10 BRAUTMASCHINE
ein Mann braucht nur eine Wand und eine Braut. Er braucht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:50
DZL-11 SCHWIMMERIN
wenn sich das Tor geöffnet hat, fährt allen in ihren...
e.a.richter - 2015-05-07 13:50
DZL-12 FRESSEN UND WUCHERN
Gedichte zu fressen ist nicht meine Sache. Ich lese...
e.a.richter - 2015-05-07 13:49
DZL-13 KONTROLLE VERLIEREN
Kontrolle verlieren, im Nebenraum, wo alles aufgetürmt...
e.a.richter - 2015-05-07 13:49
DZL-14 MUNDSCHUTZ FÜR...
es begann mit strahlenden Augen, auf einer Schnitzerei...
e.a.richter - 2015-05-07 13:48
DZL-15 JUNGE FRAUEN...
dem kleinen Mann macht die Situation einen Gefallen: zwei...
e.a.richter - 2015-05-07 13:48

Free Text (2)

Free Text (3)

Archiv

Juni 2012
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 4 
 6 
 8 
10
11
13
15
16
18
20
21
23
24
25
27
29
30
 
 

Suche

 

Status

Online seit 4840 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2016-01-06 11:08

Credits


A Roma etc.
Das leere Kuvert
Der zarte Leib
Detonation und Idylle
Die Berliner Entscheidung
Erste Instanz
Eurotunnel
Fliege (Notizen)
Friede den Männern
Jetzt
Licht, Schatten
Namen
Obachter
Pessimismus & Erfahrung
Schreibzimmer
Stummfilmzeit
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren