e.a.richter : Rubrik:Erste Instanz
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e.a.richter
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2013-08-19T23:33:51Z
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E-16 IM HOLZKABINETT
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wieder im Holzkabinett, dasselbe honiggelbe, wieder <br />
am verschlungenen Fluß, mit dem scheinbaren See<br />
zwischen zwei Wehren. Die Köpfe der Schwimmer festgehakt<br />
auf einer trägen, braun und grün schimmernden Oberfläche.<br />
<br />
Wer hier auch ruft - man hört ihn, man ruft nicht zurück,<br />
es ist nur das Echo. Manchmal ein Steingesicht,<br />
manchmal grüne Algen auf Stein. Manchmal auch -<br />
und das ist nach den Gewittern nicht überraschend -<br />
<br />
geschlechtlich ringende Schnecken mit steilen Mänteln.<br />
Auch mit Geduld sind ihre Liebespfeile nicht zu erkennen.<br />
Die Betrachter bohren ihre Finger in die kalkige Erde, <br />
wagen die Vorstellung eines Lebens im Schneckenhaus.<br />
<br />
Das Schloß leuchtet auch aus der Ferne. Grober Klotz<br />
unter einem Wolkenliebesspiel zwischen erschreckender<br />
Düsternis und blendender Leuchtkraft. Einmal Regen,<br />
der an den Fenstern kraftvoll vorbeizischt, einmal Hagel.<br />
<br />
Lektüre. Und daraus der Schmerz aus allen Details <br />
eines maßlosen Geschlechtsverkehrs über viele Seiten. <br />
Sowohl der fremde Mann als auch die fremde Frau sind in mir. <br />
Auch das fremde Haus, die Dreieckssituation, die Obsession <br />
<br />
im Detail, Zeitdehnung, der geschrumpfte Wahrnehmungsradius. <br />
Einmal im Schneckentempo alle äußeren und inneren Häute<br />
so aneinander gerieben, dass sich Elektrizität aufbaut, die diskret,<br />
zugleich feurig die nächsten Tage beherrscht, sogar steuert<br />
<br />
(Mittwoch, 13.6.2012, 14.06 Uhr)
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2012-09-19T11:00:00Z
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E-15 VERHEISSUNG
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es gibt - und schon ist es aus.<br />
Es gibt - und schon dreht sich die Treppe<br />
im Kreis, die tätsächlich existente, <br />
18 Stufen, gewendelt, im Oberlicht, und ich,<br />
heraufgehumpelt, hinunter und rauf,<br />
im Finstern, um die drei Schlafenden <br />
in ihrer menage a trois nicht aufzuscheuen. <br />
Schön, immerhin, ohne Herzlosigkeit<br />
mir gegenüber, und dieser Geruch, der diesmal <br />
nicht auftaucht, nach Karbid. <br />
Du schnüffelst, als würde das Paradies <br />
auf dich warten, ein winziger Spalt offene Tür, <br />
die du kennst, zum Zimmer, in dem du dahinsickerst, <br />
als wärst du nur eine wolkige Wasserfigur, <br />
gehalten vom Zusammenspiel von Flieh- <br />
und Schwerkraft, etwas völlig<br />
unanständig Denkbares, eine Denkspirale,<br />
die dich schon im Erdgeschoß angetrieben hat.<br />
Unten ein Blitzgedanke, oben die permanente<br />
Gefahr, der du momentan entgangen zu sein scheinst. <br />
Dein Fuß im Verband. Bald flach auf den Boden,<br />
um Schwellung und Schmerz zu lindern.<br />
Verheißung: die Füße entwickeln,<br />
und dann wieder adern- und haarlose Glätte, <br />
etwas von früher her Elegantes, <br />
ein Wettlauf, bei dem Zeit keine Rolle spielt,<br />
ein schmerzloser Luftsprung mit Landung <br />
auf bloßen empfindlichen Sohlen.<br />
Es gibt einen Körper, der alles abfedert,<br />
auch die bedeutungsvollste Verheißung<br />
<br />
(Sonntag, 27.05.2012, 1.50 Uhr)
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2012-09-17T11:00:00Z
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E-14 SCHLAF ODER SCHAF
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mit schlafen ist keineswegs nur Schlaf gemeint: <br />
ein Schaf, das sich aus dem Bett herauswühlt, <br />
Schaf aus Wolle und Federn mit Maske, <br />
etwas aus der Vorwelt Entsprungenes, <br />
der Nacht, die erst am Morgen begonnen hat. <br />
Nicht Schafähnlichkeit war der Gedanke im Schlaf - <br />
haarscharfe Schaf- und Schlafbefreiung. <br />
Ein Tier schweigt, ein Mensch schreit und schweigt.<br />
Das Schaf ist kein Opfer, Opfer ist der Schlaf.<br />
Es gibt keinen Schlaf ohne Schaf, kein Schaf ohne Schal, <br />
keinen Schal ohne schlaffen Schlag. <br />
Da ist mein Gesicht wie das wollene Schaf. <br />
Das schaut mir aus dem Gesicht wie der Schlaf.<br />
Kaum kommt das Licht, verschwindet das Schaf.<br />
Jemand zieht mir die Maske vom Gesicht,<br />
und niemand spricht mehr von Schaf oder Schlaf<br />
<br />
(Dienstag, 1.11.2011, 23.11)
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2012-05-02T11:00:00Z
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E-13 29. FEBRUAR
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zum Februar hin hält die Zeit langsam an.<br />
Der Letzte ist zugleich die Mitte des Jahres,<br />
deren gar nicht verfrühter Vorbote, schon<br />
mit Frühlingsgestürm, Temperaturanstieg,<br />
Regenschauern, Schatten und weiße Sonne.<br />
<br />
Sprießen, Getriebe unterm Haus in dieser Erde.<br />
Feuchtigkeit, Trockenheit, jähe Weiterentwicklung. <br />
Wechselhafte Tage und Stunden in Sekunden. Schauder, <br />
Erwartung, Hoffnung, auf alles gesetzt, auch Angst.<br />
<br />
Heute noch nicht verloren, morgen vom Erdboden verschluckt.<br />
Bis zur Wiederkehr eine Ewigkeit, zugleich nur ein Schnipser. <br />
So durchlebt sich dieser Tag, schon angebrochen,<br />
Punkt Mitternacht sein lautloses Ende. Oder Trompeten.<br />
<br />
Dann schnell grüne Bäume, Bäume in Pracht, Bäume <br />
mit singenden Vögeln, kotige, schrundige Wege,<br />
die zuwachsen, frei laufende Hunde. Zikaden, grüne Felder, <br />
Lieblingsblumen, Lieblingskraut, Efeu, Betäubung mit Geruchssinn.<br />
<br />
Bach, Wehr, Baumhaus, Schneeglöckchen, Anemonen, Primeln.<br />
Farn über mir, wächst mir durch Mund und Ohren. Im Augenausschnitt<br />
rauscht der Himmel vorbei, ändert im Sekundentakt <br />
die Farbe. Das Herz, noch ein sehr junges, hüpft und schreit. <br />
<br />
Es wird ein gewöhnlicher Tag mit gewöhnlichem Essen sein, <br />
zugleich ein Festmahl in freudiger Trauer, <br />
trauriger Freudigkeit, Ächzen und Scherzen, Ironie. <br />
Die Februargäste, die dann unten am Tisch sitzen werden: <br />
morgen - im März - spurlos verschwunden, als wär schon Silvester <br />
<br />
(Mittwoch, 29.2.2012, 8.44 Uhr)
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2012-02-29T12:00:00Z
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E-12 SCHMERZSEKUNDE
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plötzlich der Schmerz, unerklärlich, sagst du,<br />
ein kleiner Schmerz, von der Mitte her<br />
unterm Nabel, eine Spanne darunter,<br />
aber auch, und das ist nur ein Gefühl,<br />
<br />
eine Spannung, die in die Breite geht,<br />
nach rechts, auch nach links, nach unten,<br />
sodaß im Kopf eine Wölbung entsteht,<br />
eine gewölbte gekappte Halbkugel aus Haut,<br />
<br />
glänzend, etwas wie Schwangerschaft,<br />
schwanger der Bauch und der Kopf, sagst du,<br />
der ja von hinten her auch mit einer Wölbung<br />
nach vorn hin wächst, etwas für die Finger<br />
<br />
beim Ansatz des Schädels bereit hält,<br />
wo ein Finger, nicht derjenige, der mitdenkt<br />
(es ist der mittlere) gleich über dem <br />
Doppelhorn (eigentlich ein Hörnchen)<br />
<br />
eine Delle vorfindet, sodaß ein Finger<br />
beinahe hineinpaßt und jeder Denkvorgang<br />
(theoretisch) auch von da hinten beginnen kann,<br />
nicht mit dem Zeigefinger auf der Nase oder<br />
<br />
auf dem Kinn, sondern im Nacken, inmitten<br />
des Haars, das hier sehr dicht ist, auch dicht<br />
bleiben wird, wenn den Vorfahren, der Mutter, <br />
zu glauben ist, sagst du plötzlich der Schmerz,<br />
<br />
eine Nichtigkeit, die kurz einknicken läßt, <br />
eine Schmerzsekunde ohne Zutun, ein Schmerz<br />
aus dem Schlaf heraus, ein Fehltritt,<br />
eine Fehlinformation, ein Alert,<br />
<br />
der nicht bestellt gewesen war, und jetzt <br />
wo der Schmerz hell aufklingt, ein Zeichen,<br />
daß er barmherzig sein wird, etwas, sagst du,<br />
mit einem nichtigen Höhepunkt, nicht erwünscht,<br />
<br />
überhaupt nicht, eine undifferenzierte Warnung, <br />
ohne eine solche verlangt zu haben, Wunsch<br />
war vielleicht ein kleiner wabernder Gedanke,<br />
eine Idee mit Zahlen, die Bereitschaft, mit <br />
<br />
Zahlen, Wörtern und Daten zu spielen, ein Zahlenspiel,<br />
das sich während des Vormittagsschlafs von selbst<br />
im Vormittagstraum lautlos effektiv inszeniert,<br />
festfrißt und sich dann der Erinnerung preisgibt, <br />
<br />
ohne anhaltende Verstimmung, gekrönte Erinnerung <br />
an einen Hauch schmerzhaften Einblicks<br />
in die Ursache dieses Schmerzes von der Mitte her, <br />
unterm Nabel, eine Spanne darunter, sagst du<br />
<br />
(Montag, 13.2.2012, 10.38 Uhr)
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2012-02-18T12:00:00Z
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E-11 THERAPIE
http://earichter.twoday.net/stories/ei-09-therapie/
unsichtbares Hirn Gedanken, dauerhaft bloßgelegt Demütigung,<br />
so die Gedankenfolge, in einer andern Sprache, Frauensprache,<br />
so süß, so schlimm. Ja, ein Gebrumm, Sirren, ein Kopfdröhnen,<br />
schon zu Füßen der Therapeutin, hingestreckt, während sie<br />
schön lächelt, von oben herab. Schönsein, das nur Erstarrung bewirkt.<br />
<br />
Und Locke, blond quer über den Körper. Als so Geteilte enthüllt<br />
sie das Hauptorgan des Diskurses genau: wie symbiotisch<br />
der Klient kleben muß an ihr. Er klebt nicht, er wütet. Er wütet<br />
aus sich heraus, dem pulsierenden Schulterblattschmerz, <br />
der sich in ihre Wangen hineinwühlt, ihren Haarschwall.<br />
<br />
Sie lächelt - so süß, so schlimm - durch ihn hindurch, gleißt <br />
im Sonnenstrahl, der neben ihr hereinbricht, ihn blendet. <br />
Bald im Abendglanz ganz ihr zu Füßen, als wär er ihr Sohn, <br />
den sie mit Füßen treten kann, jederzeit. Als wär er ein Kleidungstück <br />
zum An- und Ausziehn, und sie zieht es an, lächelt schön und <br />
<br />
schlimm, stampft auf das alles kränkt. Ihre Sprache kränkt,<br />
ihr schönschlimmes Gesicht kränkt; auch daß sie brummt und sirrt, <br />
als hielte sie seine beiden Ohren besetzt. Es ist kein Verweis, <br />
sondern Verlockung, so süß, so schlimm, ihr zu Füßen hingedreht, <br />
in seine Augen ihre Welt. Er riecht nichts, so lockert ihn seine Allergie. <br />
<br />
Von ihren Schuhn gestreift, er beginnt den Diskurs, stellt ihren <br />
Frauenheilkreis völlig in Frage. Sie steht über ihm, im Vorbeihuschen <br />
zum Stehenbleiben verlockt, hochschwanger, entbietet ihm<br />
einen Schluck ihres Fruchtwassers: Du mußt dich entscheiden, <br />
tauch ein, tauch auf und geh! Er läßt sich bloßlegen, kränken, <br />
<br />
seine Kränkung wie ein Zauber (im Zuber), der ihn stärkt, <br />
die männliche Schulter, die er selbst ist, und oben balanciert <br />
der Kopf, in dem sich ihr Schmerz bündelt, in ihrem aber auch <br />
seiner, zugleich ein Gelächter, Theorie des glücklichen Ausgleichs, <br />
so süß, so schlimm dessen Lobpreisung endgültige Unterwerfung<br />
<br />
(18.5.2011, 21.20 Uhr)
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2012-02-01T12:00:00Z
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E-10 TRAUM VOLLER TRAUER
http://earichter.twoday.net/stories/ei-09-traum-voller-trauer/
abgewandt, mit angezogenen Knien<br />
im Bett - ihr Kopf inmitten der Haare,<br />
weit nach vorn gestreckt, sie als Ganze<br />
ein geknicktes S. Möchte allein sein beim Weinen,<br />
<br />
niemandem ihre Tränen zeigen,<br />
nur Trauer fühlen, darüber nicht reden.<br />
Das Letzte wäre eine zärtliche Anwandlung. <br />
Der eine und der andere versteht sie nicht, <br />
<br />
verstärkt nur die Scham. Verschließt sich im Bad.<br />
Als Abgewandte wieder da, und ist <br />
nach diesen vielen entgangenen Augenblicken <br />
eine sich fremde, vorwurfsvoll brennende Gestalt.<br />
<br />
Das im Traum. Danach eingeklemmt<br />
zwischen zwei Frauen, und keine weint.<br />
Mich als Entscheidungswilligen verstört hingegen<br />
das überm Kopf hängende Gleichgewicht<br />
<br />
(Sonntag, 11. September 2005, 3.40 Uhr, Venedig)
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2012-01-28T12:00:00Z
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E-09 SIEBEN (ODER ZEHN) DINGE
http://earichter.twoday.net/stories/ei-08-sieben-oder-zehn-dinge/
Achtung, das ist ein höchst sensibles privates Unternehmen, das nie<br />
jemandem öffentlich eine Abfuhr erteilt, auch nicht (1) Lee Walker, <br />
<br />
der für mich erstaunlicherweise (2)Ende des Jahres Darlehensfazilitäten<br />
vergibt, wobei ich anscheinend (3)auf seine Neuen kunden zähle, <br />
<br />
daher mich von (4)auf Zwei Prozent in einem leider nur (5)minimalen <br />
Bereich profitieren lassen will: (6)von 5,000 € bis maximal € 100.000.000.<br />
<br />
So etwas habe ich schon seit langem erwartet, wie jeder der ständig<br />
Klassenlotterie spielt und nichts gewinnt. Dann sucht das Glück eben <br />
<br />
einen anderen Weg, den speziellen über Lee Walker zum Beispiel , <br />
der mich jetzt als Hans im Glück spazierengehen lassen will, vorerst, denn dann:<br />
<br />
(7) geben Sie sterben, was ich gleich als gehen Sie sterben lese, erschrocken, <br />
und das inmitten von Abfall und Sonne (drei volle Mistkübel in der Sonne, <br />
<br />
draußen vorm Haus): gehen Sie sterben, das hieße für mich: Stecken Sie <br />
den Kopf in den Sack (oder Sand?) und warten Sie, was dann passiert: (8)Wenn<br />
<br />
interessiert, Wie unten dargestellt. Kein Bild nur: (9)Name ---- Amount ---- <br />
Dauer ---- Telefonnummer ---. Das genügt. Und noch (10):Grüße. Ich grüße <br />
<br />
zurück, Lee Walker, sehr herzlich. Was an brauchbaren Dingen da draußen wirklich <br />
drinnen steckt ich zähle sie nicht, nicht jetzt. So verzicht ich auf Glück und Gewinn<br />
<br />
aus der einmal nicht überfüllten Mailbox und verlaß mich ganz auf Recycling aus dem <br />
auf einen Wink hin polternd heranrollenden Container und Tauschhandel<br />
<br />
(Samstag, 26. November 2011, 12.24)
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2011-12-02T12:00:00Z
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E-08 SONNTAGS, ANMUT & WÜRDE
http://earichter.twoday.net/stories/ei-07-sonntags-in-anmut-wuerde/
im Ganzen genommen egal, ob Dienstag, Mittwoch, <br />
Montag, Samstag oder Freitag: auch heute, am<br />
Donnerstag, besteht Hoffnung, daß der nächste<br />
Sonntag noch erreicht wird, vielleicht ein fetter<br />
(mit Fischfett, fettem Gefühl, samtigem Fettgewebe);<br />
<br />
daß sich die Wettervorhersage prompt erfüllt <br />
(Sonnenscheindurchbruch in weiten Teilen des Landes), <br />
sich auch etwas oder mehr - von der Anmut des<br />
weiblichen Geschlechts neuerlich enthüllt, nicht nur eine <br />
gewisse körperliche Basis, sondern gleich Biegsamkeit<br />
<br />
(so biegsam in etwa wie die <a href="http://russianforum.org/2011/02/femens-action-against-italian-prime-minister/">Anti-Silvio-Nackten</a> in Kiew -<br />
so wechselhaft unübersehbar präsent in den Medienhirnen)<br />
und die sittliche Harmonie der Männer, auch ihre<br />
Schönheit, die sich nicht nur in Reih und Glied marmorner<br />
Statuen zeigt, in beharrlichen Leibesübungen, im Marathon<br />
<br />
sexueller Bemühungen, auch in triefenden Wanderstiefeln<br />
beim Durchmarsch durch die Donauauen,<br />
im farbleeren Dickicht, im dumpfen Laubgewölle,<br />
im <a href="http://www.austria-lexikon.at/af/Wissenssammlungen/Denkmale/Napoleon_Lobau">Napoleongehege</a>. So wird dem Charakter<br />
schon im voraus ein wenig die Dichotomie<br />
<br />
abgelassen, die Geschlechter nehmen die voneinander <br />
aufgelesenen Spuren und Eindrücke wahr, <br />
herbstlich getrimmt, als Austauschgeld - nicht unbedingt <br />
traurig, womöglich spielerisch, Gehüpfe von einem<br />
Standbein aufs andre, das eine Frau, das andre Mann<br />
<br />
(Donnerstag, 10. November 2011, 16.33)<br />
<br />
(Siehe <a href="http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2011/11/sind-frauen-anmutig-und-manner-schon.html">hier</a> und <a href="http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2011/11/november-sonn-tag-sudlich.html">hier</a>)
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2011-11-13T12:00:00Z
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E-07 DIESES BAD
http://earichter.twoday.net/stories/ei-8-dieses-bad/
Dieses Bad ist ein völlig gedichtloses Bad.<br />
Es liegt zwischen Küche und Diele, der kürzeste Weg für den Transport<br />
von Getränken und Speisen in die eine oder andere Richtung,<br />
auch von unten nach oben, dinnen und draußen.<br />
<br />
Dieses Bad hat eine Menge Kinder gesehen,<br />
Kotze und Kot von Kindern, auch erwachsenen<br />
Kindern, Frauenmädchen, Bubenmännern<br />
und entschlossen versperrte Türen auf beiden Seiten.<br />
<br />
Dieses Bad ist ein völlig gedichtloses Bad,<br />
doch voller Gesichter: jede eigenhändig angebrachte Kachel<br />
widerspiegelt jedes Gesicht, das je im erkennbaren Umkreis<br />
lautlos oder lauthals schreiend aufgetaucht ist.<br />
<br />
Dieses Bad ist ein Erinnerungsbad,<br />
ein jahrzehntelang dunkel zuckendes Familiengeheimnis,<br />
das sich auf ein einzigen brennenden Punkt zusammenschrumpft läßt:<br />
den des gegenseitigen Erkennens, zugleich Verlassens<br />
<br />
(Sonntag, 16.10.2011, 20.55 Uhr)
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2011-10-31T12:00:00Z
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E-06 SUNDAY AT HOME
http://earichter.twoday.net/stories/ei-06-sunday-at-home/
Tee aus dem Krug getrunken,<br />
Tee mit Wasser aus dem Wasserkocher,<br />
Honig aus dem Flaschenspender,<br />
zwei Sorten, Kamille, Magenfein.<br />
<br />
Hecke und Bäume beschnitten,<br />
vom Klettermeister, seinen bosnischen<br />
Handreichern schöner indianischer <br />
Mann in den Gurten, im Geäst.<br />
<br />
Geschmolzene Plastikcontainer - <br />
jetzt hinter Gittern die neuen, aus Metall.<br />
Daneben nur Baumverschnitt,<br />
no riots, no looters.<br />
<br />
Nicht weit wärs zu Gewässern zum Angeln, <br />
auch inmitten von verspäteten Nackten;<br />
von Bäumen mit Stricken und Schaukeln<br />
mit quietschend flüchtenden Enten.<br />
<br />
Kein einziges Mal gestochen<br />
in diesem Sommer, trotzdem<br />
erstaunliche Zeichen auf Rist und <br />
Schienbein geritzt und eingebrannt.<br />
<br />
Wer mich beißt, muß sich vorher<br />
enthüllen: ich beisse die Äpfel,<br />
die hautfarbenen Tücher darauf,<br />
die Lippen meines Spiegelbilds<br />
<br />
(Montag, 24.10.2011, 16.04)<br />
<br />
(Siehe auch Janet Frame <a href="http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2011/10/sunday-by-janet-frame.html">hier</a>.)
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2011-10-29T11:00:00Z
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E-05 WAS ROSEN
http://earichter.twoday.net/stories/ei-05-was-rosen/
was Rosen, was für Rosen, was Rosen Rosen antun,<br />
wissen wir nicht, was wir ihnen antun, bleibt ihr Rosengeheimnis.<br />
Hinter den Zäunen in den Schrebergärten nachtschwarze Rosen,<br />
sie lauern noch immer, mit keinerlei Geschenkabsichten.<br />
<br />
Ich denk an dich, schwarze Rose, die braun und hypersensibel<br />
an der Mauer hinter dem Bett hing, eines feuchten, berührbaren,<br />
jetzt unberührt. Ich denk an dich, lackierte Rose, den ganzen lackierten<br />
Strauß, für den ich ein schwarze Vase erwarb, bei Ikea.<br />
<br />
Bei Ikea aller Rosen an deinen Wänden gedenkend, der Rosenfragen,<br />
die nicht unmittelbar zusammenhingen mit deinem Leben:<br />
Ich ließ dir dein Geheimnis, schrieb aber ohne Unterlaß<br />
Rechtfertigungen ins Tagebuch, was für Rosen, was Rosen tun und warum.<br />
<br />
Minutiös, wie du mit meinen Rosen umgingst, voller Skrupel, wie du<br />
auf meine Rosennachfragen reagiertest. Einmal, vor einem Rapsfeld<br />
dachte ich an rapsgelbe Rosen, ein rapsgelbes Rosenmeer, an deine Kunst,<br />
Rosenleben auf einem so weiten Feld zu evozieren, mit einem einzigen Blick<br />
<br />
(Donnerstag, 29. September 2011, 18.28 Uhr)<br />
<br />
(Weiteres zu "Rosen" <a href="http://sturznest.twoday.net/stories/41789620/">hier</a>.)
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2011-10-06T11:00:00Z
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E-04 TOTSEIN GANZ OHNE ROSEN IST NICHT LUSTIG
http://earichter.twoday.net/stories/ei-04-totsein-ganz-ohne-rosen-ist-nicht-lusti/
Totsein ganz ohne Rosen ist nicht lustig <br />
du warst am Soldatenfriedhof, und alle<br />
Kreuze hatten russische Namen,<br />
die du nicht lesen konntest. <br />
<br />
Ich las sie mit deutschem Akzent. <br />
Es waren deutsche Soldaten, die auf den russischen<br />
lagen. Hier, sagtest du, wo wir wohnen, liegen<br />
noch immer französische, auch auf dem Flugfeld.<br />
<br />
Niemand liegt über ihnen. Unter ihnen,<br />
in den Hügelgräbern, mitteldanubisch,<br />
unbewaffnete Ahnen. Totsein<br />
ganz ohne Rosen ist nicht lustig, sagtest du,<br />
<br />
im Gedanken an Schnitzler, hier eingestiegen<br />
ins Linienluftschiff, er hob ab nach Venedig,<br />
über Felder, jetzt aufgewühlt und umgegraben,<br />
über die Baumaschinen neben der neuen U-Bahntrasse.<br />
<br />
Schnitzler steigt ein, neben Bombentrichtern,<br />
den jetzigen Erdhügeln, künftigen Hochhäusern.<br />
Schwankungen überm Gebirge, von der Leere<br />
in der Tiefe ergriffen, über den Gräbern.<br />
<br />
Er spürt die Kreuze, die du ihm nachwirfst,<br />
deine Lesebeflissenheit, deinen Nahsehsinn.<br />
Un coup de pistolet...! Er schreibt das, sagst du,<br />
der Tochter, tot in Venedig, er schweigt.<br />
<br />
Seine Schrift kannst du lesen,<br />
Totsein ganz ohne Rosen ist nicht lustig <br />
du warst am Soldatenfriedhof, und alle<br />
Kreuze hatten russische Namen und deutsche<br />
<br />
(Donnerstag, 29. September 2011, 20.40 Uhr)<br />
<br />
<br />
(Weiteres zu "Rosen" <a href="http://sturznest.twoday.net/stories/41789620/">hier</a>.)
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2011-10-01T11:00:00Z
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E-03 DAS ROTE BAND
http://earichter.twoday.net/stories/e-03-das-rote-band/
Es ist ein Hängen, still in sich ruhend, straff, etwas zutiefst Hängendes,<br />
und das über der Lampe: das Rote Band über der Lampe, ihrem dünnen<br />
Arm (er läßt sich biegen), es stretcht. Die Uhr oben in der linken Ecke <br />
des Monitors stretcht auch, sie rinnt, geräuschlos verschleudert sie Ziffern,<br />
verschwindet zu Zeiten, wo niemand an ein Verschwinden gedacht hätte.<br />
<br />
Verschwinden ist verschwunden zwischendurch , und das fällt nicht auf. <br />
Die Schachtel mit dem Schlangenmuster getürmt auf die Schachtel <br />
mit den wichtigen Dingen, Sticks, Speicherkarten, Schichten finsterer<br />
lüsterner Geheimnisse. Von oben Licht, Licht von zwei Seiten, es wird<br />
so beschrieben: von der Decke fällts auf die Wand in drei Schwüngen, <br />
<br />
auch von rechts herab in Augenhöhe auf die Tastatur, ohne daß es blendet. <br />
Blendung ist der Graue Star, der Rote, der Grüne. Kaum die Augen offen, <br />
blendet der Traum schon wieder durch Vergessen. Hing etwa ein Band <br />
mir tatsächlich zwischen den Augen, verband es geheim Ein- und Ausgänge,<br />
gab es eine Hauteruption, sich sträubende Haare, hingen künftige Knochen <br />
<br />
in der Luft, baute sich eine Kollision mit Erinnerungen auf, in denen es <br />
Hintertreppenstürze nur so hagelte? Ich, unten am kalten Beton, flach, <br />
wie vom Blitz getroffen, neben den Heizungsrippen, blieb liegen,<br />
der ganze Körper weh, voller Striemen, Schrammen, Blutspuren, als wären <br />
alle meine Geliebten über mich hergefallen, fleischwund, mich, den Ripper? <br />
<br />
Zwischen den Rippen die Nerven, um die Schlüsselbeine verknäuelt, <br />
als würden sie dort neue Organe ausbilden wollen nur eine Phantasie <br />
aus dem Roten Band, das auch in der Badewanne erweiternd funktioniert?<br />
Um die Stirn so, daß schräg hinunter, hin zum Wellenschlag, die Sicht <br />
noch möglich ist, auch das Atmen, voll die Sicht auf die Selbstbefleckung, <br />
<br />
auch Selbstentdeckung, Selbstversicherung. Und auch so, daß die Beine, <br />
gesträubten Haare zumindest die Illusion einer Selbstbefreiung beinhalten, <br />
von selbst getragen von der bettartigen Dampfformation, leicht gebettet <br />
also auf diese Wolke, um von dort wiederum auf jenes Band zu schnellen, <br />
rechts die Schlangenschachtel, links die hölzerne, die voller Geheimnisse.<br />
<br />
Der Chor im Hintergrund so dicht, als wäre die ganze Familie angetreten,<br />
um auf das Rote Band zu hüpfen mit mir, mirs zu entwinden im Training,<br />
um selbst zu hüpfen, Chor aus lauter selbstverlieben Helden, schon toten,<br />
sogleich zu unglaublichen Geständnissen bereit: Wir verurteilen, verachten <br />
die Wiederholung, wiederholen die Verurteilung! Wir loben das lebendige<br />
<br />
Rote Band, dessen Mitteilung daß es nun nicht mehr hängt, nicht <br />
mehr umschlingt, nicht schlingert und schlenkert, niemanden der Muskel<br />
beraubt, der nächtlichen Denkkraft, deren schreiender Ergebnisse; daß es <br />
eine zweite Haut sein wird, immer dünner, dünner als ein Hauch, <br />
doch Membran, Lichtloch, Lichtmembran, die mit Lebenswut begeistert<br />
<br />
(17.5.2011, 3.03 Uhr)<br />
<br />
(Blick ins Nebenzimmer: <a href="http://richtexx.twoday.net/stories/18122967/">Campo di urne 02</a>)
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2011-05-30T11:00:00Z
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E-02 TRESOR
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mit voller Absicht dieses Fundwort: Tresor. Ist das Ohr<br />
ein Tresor? (Tres Ohr?) Ist dieses Sirren, das so nah<br />
der Sprache erscheint, ein Dauerton, ganz aus der atmenden<br />
Nähe, auch aus der Sternenferne, Widerhall von Lichtjahren,<br />
die nie aufhören würden, sich zu äußern, auch ohne offenes<br />
Ohr? Achja, offen, ohne geöffnet zu sein, schreiben, ohne<br />
geschrieben zu werden, sehen ohne Sicht und doch Durchblick?<br />
<br />
Ein Frühling, der hinterm linken Ohr hinweht. Es ist auch ein Wehen <br />
am Bildschirm, schwankende Helligkeiten inmitten schimmernder<br />
Schwärze schwarzer Monitor, der zweite, dritte, und darauf<br />
ein schlaffes Blatt, das sich nie erheben würde, wenn nicht<br />
ein Pfauchen aus mir herausbräche, künstliche, sehr gesteuerte <br />
(beteuerte) Wut. Gestern Wut, heute keinerlei Reue. Ruhe.<br />
<br />
Nach dem morgendlichen Aufbruch des Personals tagsüber Ruhe. <br />
Das Personal ruht auswärts. Das Licht zuckt über die schwarze<br />
gerahmte Fläche nur Reflexion von Papierhaufen hinterm Rücken.<br />
Rücken und Nacken gestreckt, steife Selbstbewahrungshaltung.<br />
So der Schmerz (und ein solcher auch direkt hinterm Ohr) beinahe <br />
wie ausgeschaltet, weggesperrt in ein anderes Zimmer, achja,<br />
<br />
dort unter dem Bett, der fraglichen Wand rechts, die nie fragt,<br />
sondern starrt voller altmexikanischer Vorausahnungen.<br />
Jetzt Pause, auch aus dem Magen, mit herausragender Sonde<br />
hin zum linken Ohr wer wagt es, mir deshalb Linkshändigkeit<br />
zuzuschreiben? Ich selbst erfand sie mir unlängst, ohne Not.<br />
Ich sei Linkshänder gewesen, gewalttätig umgeschult. <br />
<br />
Sah mich als Schüler, dem das Ohr zornig wuchs in der Hand <br />
des Lehrers, der es wusch und salbte, auch Stirn, Nase und Wangen. <br />
Zu welchem Zweck? Solch ein Lehrer kommt aus dem Tresor der Zeit, <br />
die zugleich so unwahrscheinlich zusammengepreßt unterm Stuhl lauert. <br />
Der Stuhl (sonst das Allerlauteste im Raum) schweigt. In der kleinsten <br />
Bewegung die Möglichkeit, daß alles auf einmal abblättert und<br />
ich mich hinausstürzen muß bei der Tür in die Natur voller Herzweh<br />
<br />
(Freitag, 13.05.2011, 15:37 Uhr)<br />
<br />
(Fundstelle: <a href="http://www.aleatorik.eu/2010/11/30/%E2%80%9Edie-ganze-zeit%E2%80%9C-wenn-ein-text-ein-tresor-ist/">http://www.aleatorik.eu/2010/11/30/%E2%80%9Edie-ganze-zeit%E2%80%9C-wenn-ein-text-ein-tresor-ist/</a>)<br />
<br />
(Blick ins Nebenzimmer: <a href="http://richtexx.twoday.net/stories/essere-etrusco-15/">Essere etrusco 15</a>)
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