D-14 AM DONAUKANAL IM FILM
wie dieser: schwarzer Augenglanz,
hängende Lider, Kabuki-Mund,
gerötet; und gleich Vatergejammer:
liebt mich nicht, aus der Nähe,
auch nicht aus der Ferne; und Mutter-
Versessenheit: ist arm, ohne Geld,
braucht Hilfe; muß sich allein
über dem Wasser halten, zieht sich aber auch
selbst den Boden unter den Füßen weg.
Doch hier, in der Fremde, erste große
Schneeflocken, wunderbar taumelnde,
in der Zwischenhofödnis.
Und ihr Herz im Handgelenk,
ganz sanft, mit Knöchelchen,
wie vom Zufall unter der Haut
versteckt; rundum Nässe, schnell
verdunkelt. Bald kein Lippenrot mehr,
erloschen in Nächtlichkeit,
in den Schatten gnädiger Lichter, sie selbst
im Film, der gleich folgt, verschwunden,
als eine der Hauptfiguren,
eine Art Schutzmanteljungfrau für Greisinnen,
die sie für ihre Hilfe beschimpfen.
Bald wieder raus aus dem Schädel
der Nonne, reuigen Nutte, deren Sohn
am Auto der angehimmelten
Schauspielerin schmählich verendet.
Noch immer: spanischer Frauenchor,
muerte muerte, auf der Leinwand.
Und sie, danach, sehr in Not: blutleer,
nun fast kein Puls mehr. Will trotzdem
das Kaiserschnittbaby sein, das die Mutter
nachträglich umbringt. Davon jetzt keine Rede
am Donaukanal, im schnöden Westwind,
der Schnee herbeischafft, schweigendes
Spiegelwasserschwellen, ohne direkte
Verbindung zu ihrem türkischen Meer.
Die nächsten Wochentage lauern, notorische
Anstrengungen, Schmerzen, gleich in der Nacht,
die nach dem Film beginnt, noch
am selben Tag endet: Uhrzeit,
gegen den Uhrzeigersinn.
Raus aus dem Kino, dem Nordwinter, ins Bett,
unter die Tuchent, zu den fünf Bären -
ihre Trostsprachepartner, Heimatrestwärme.
Doch sie schweigt. Morgen will sie endlich
ein neues Leben sehen, sich selbst, in Liebe
(Samstag, 20.11.1999, 7.o5)
(Erschienen in: Das leere Kuvert, Bibliothek der Provinz, 2002)