DZL-03 DER ZARTE LEIB

Zartleibigkeit wird vermißt,
auch intensive Zartlebigkeit.
Zärtlich gestrichene Haut,
die im Außenleben auflebt,
das sich zunehmend rotfleckig äußert,
als von selbst aufgebrochene Wundmale,

plötzliche Faltenvermehrung.
Schon wieder ein schärferer Blick auf Mädchen,
wie sie vor den Spiegeln hin- und hertanzen,
während sonst Spiegel tabu sind.
Dieses Leben im Ungefähren.

Das Wesen vernebelt sich von selbst.
Dieser erstaunliche Schwund an Wörtern:
als wäre man befreit,
wenn man Wörter verliert.
Diese Scheu, vom Wortverlust zu reden,

als wäre das Reden schon Verlust.
Als wäre Merktechnik eine Schande.
Als wäre die Überwältigung mit Namen
auch eine Namensverwaltungspflicht.
Man könnte jetzt sogar so weit kommen,

den eigenen Namen zu ändern,
um dem Namensauftrag der Eltern
endlich zu entgehn.
Der zarte Leib taucht nicht auf.
Die Lieben erscheinen nicht,
auch wenn sie schriftlich so tun,
als wäre ihr Witz schon Anwesenheit

(2013)

(veröffentlicht in: KOLIK Nr. 62)

(Erschienen in: Der zarte Leib, Edition Korrespondenzen, 2015)

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