O-46 SALZBURG
in die Altstadt locken lassen sollen.
Auch auf der Staatsbrücke
- oder einer anderen – der Schwindel,
der mich nicht entscheiden ließ,
wohin die Salzach fließt.
Überall Kühe, bizarr
verunstaltete, aus Plastik,
als hätte sich Bühnenmißwirtschaft
über die ganze Stadt ergossen.
Kühe, die das Leben aller Tiere
verhöhnen, auch das der Menschen.
Und oben das drohende Kastell,
Mauern mit tausend Augen.
Alle erdenklichen Grausamkeiten
geschehn dort noch immer,
nicht heimlich, sondern offenkundig:
es ist ein Sammelbecken
für das Blut aller jemals geopferten
Untertanen, das irgendwann
überschwappen wird, aus den Fenstern tritt,
herabrinnt, alles Leben in der Stadt
langsam vergiftet. Niemand darf mehr
hinaufblicken. Jedermann
muß mit niedergeschlagenen Augen
seinen tödlichen Geschäften nachgehn.
Ich hörte so lange Radio im Auto,
bis rechts der Mondsee erschien
und links nur Autos vorbeiflitzten,
trotz Geschwindigkeitsbeschränkung
fast unsichtbar. Wäre ich abgekommen
von der Straße, vom rechten Weg
hätte ich mit einem blinden Erzbischof
getanzt, hinein in Salzburgs ökumenische
Unterwelt, des Teufels und der gefallenen
Engel paradiesische Hochburg
(St. Georgen, Samstag, 28.10.2000, 7.40 Uhr)