0119 - PESSIMISMUS UND ERFAHRUNG 4
wie immer steht GEWALT dahinter, schreibst du, & ich hab ALLES GEWALTTÄTIGE bewahrt, & jetzt kehr ich hervor, was die frösche in ihren einsiedegläsern singen, was sie singen, wenn ich sie zwischen meinen immer noch starken vorderzähnen zermalme.
meine lehrer sind tot.
ich habe, ohne mir dessen bewußt zu sein, ihre grabsteine gezeichnet, ihre grabinschriften entworfen, sie in variationen memoriert, in den monumenta historica verewigt.
die 3. generation, die schon in kommen ist, wird sich nicht mehr verbalisieren, sondern nur utopisieren können, nur mehr biotechnisch.
meine arme frau kann jetzt leider nicht hören, was ich höre: sie wäscht wäsche.
anscheinend sehe ich in meiner zaubermuschel vom tandler alle möglichen kleinen mädchen, die alle in mich VERLIEBT sind.
wo ist er gesessen? fragt inständig die 8jährige m., immer wieder.
wo ist er gesessen, es geht eine KRAFT aus von dort, wo einer gesessen ist, den ich liebe, ich werde noch wahnsinnig.
ich durchschaue mit unheimlicher klarheit, was kommen wird.
ich hab keine angst vor meinen ängsten, die mitternachts aufreten, überfallsartig, immer an der schwelle den schlafzimmers.
ohne es zu wollen, bin ich gefeit vor den plötzlichen übergängen, vor revolutionären umschwüngen, die ich zeitweise heftigst ersehne.
meine arme frau ist mit ihren schlüsseln am werk.
jetzt dreht sie den haustorschlüssel, jetzt flammt das licht auf, jetzt sieht sie die braune tafel mit den namen der wohnungsinhaber, jetzt will sie die tafel von der wand reißen, weil sie so SCHÖN ist, jetzt fällt ihr ein, daß das DIEBSTAHL sein würde, sie also straffällig, jetzt dreht sie den aufzugsschlüssel, jetzt fällt die aufzugstür zu, jetzt setzt sich der aufzug schon in fahrt usw. usf.
(15.-30.5.1972)