Sonntag, 2. Februar 2014

0120 - PESSIMISMUS UND ERFAHRUNG 6

6

ich beobachte die radikalisierung der lebensvorgänge.
ich beobachte die radikale abnahme von zeit.
schon ist es september, schreibst du.
meine unterhosen sind schmutziger denn je.
seit wochen bin ich wegen des wetters zunehmend deprimiert.
mit der alten poldi rede ich nur mehr übers wetter.
ich denke mir gesprächsorgien übers wetter aus.
ich erkenne ständig die tautologien,
seitdem ich entdeckt habe, wie ich mich quälen kann, habe ich nur mehr gedanken an meine qual.
ich liege mit offenem herzen, schlaflos, mit den ärgsten gedanken an der mauer & sehe schwarzen rauch aufsteigen.
es stürmt.
es ist sonntag.
großmutter sagt: das kann man sich doch nicht bieten lassen!, und schon rennt meine frau zum telefonhaus.
sie ist, wie immer, REIN.
sie steht außerhalb der dialektik der befreiung.
sie atmet schwer, hat einen unterleib, der schmerzt, ist schwach vor hunger, hat ständig tränen in den augen, ist aber, wie immer, TAPFER im kampf, verbirgt ihre waffen, kann das auch vor den 2000 polizistinnen, die ständig leibesvisitationen vornehmen.
sie ist, wie sie sagte. dabei, den wirklich WEIBLICHEN körper zu entdecken.
sie sagt, sie denke in konvulsionen, an einen - von einem kind - schweren unterleib, an das verbergen einen solchen schwangeren unterleibs, was sie aber jetzt nicht mehr nötig hätte, da doch alles legal geschehen kann: beischlaf, empfängnis, schwangerschaft & schließlich - die KRÖNUNG - die austreibung des kopfes.
sie denke ans verbergen unter vielen tüchern, für sie regne es babys.
was jetzt geschieht, fiktiv, hätte längst geschehen können, real.
aber jetzt ist es zu spät, jetzt ist die trennung keine krönung; jetzt bedeutet der fackelzug nichts; jetzt sind die energien der bewegung aufgezehrt; usw. usf.

*) was sie nicht denkt, denke ich, nämlich: sie mißbraucht das mitleid der leute, um eine BOMBE zu transportieren.

(15.-30.5.1972)

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