0122 - PESSIMISMUS UND ERFAHRUNG 8
schließlich vergesse ich vertrieben zu sein, schreibst du.
schließlich finden der mann mit der feinen gesichtshaut & ich, wovon er geschwärmt hat: völlig zerwühlte erde, historischen boden, napoleon was here, laufgräben, was von einer flugzeugmotorenfabfik noch übrig geblieben ist.
es geht auf & ab, zwischen gebüsch & gräben, trichtern, das schöne, das absurde ist die unberührtheit der naturdinge, sagt er, daß alles eben überwuchert, eingeebnet, gleichgemacht wird.
wir werden hierher zurückkommen, um den leuten zu zeigen, was gleich vor ihrer nase liegt, welche möglichkeiten hier vorhanden sind, sich ins MATERIAL zu transponieren, das MATERIAL zu erobern, das MATERIAL in die PSYCHE zu integrieren.
wir sagen ihnen, sie sollen die bäume als textträger benützen, jeder bringt seinen anschlag mit & geht zugleich durch einen wald von anschlägen der andern, sagt er.
so wird dieser wald., trotz der zeckengefahr, zu einem riesigen kommunikationsareal.
oder wir sagen ihnen, sagt der mann mit den noch weniger haaren, bringt alle kleider mit, die ihr habt, hier gibt es plätze, lichtungen, kahlschläge, die zu nichts anderem dienen als dazu, sich zu VERKLEIDEN; & stellt euch verkleidet hinter diesen baum, auf diesen umgeworfenen pfeiler, auf diese kaum erkennbare stufe im gras, in diesen halbverschütteten laufgraben, auf diesen hochstand –
wo ihr euch pausenlos LIEBEN könnt, habe er gesagt, mit dem blick z. b. auf die schießstättenmauer, & dabei denken, der BUNDESPRÄSIDENT schaut von dort auf euch herab mit seinen zwei - im hinblick auf die soeben gezeugten empfangenen ARBEITS- & STAATSbürger - mild lächelnden augen; oder auch nur auf aufgeschreckt flüchtende hasen, die natürlich nicht wissen, was sie tun, nämlich vor FREUNDEN flüchten oder solchen, denen es höchstens um ein lustiges SPIELCHEN geht, ein bißchen in die gegend ballern & so –
& dann läßt sich einer als karl, sagt er, in diese grube fallen, dann taucht eine andere als marina in diesen ehemaligen fabrikspool, dann kommen zwei als maria & josef aus diesen verzündelten bunker, denn blickt einer als jesus auf die hochspannungsleitungen, dann läßt sich einer als j. f. oben herab ins gras fallen, dann denkt sich einer als r. d. ungeahnte politische chancen aus.
oder wir sagen ihnen, sagt der - so meine frau - bildschöne mann: ich bin am so&sovielten, ohne zu wissen, was mich erwartet, diesen verbotenen weg hineingegangen & habe eine VIELZAHL von möglichkeiten auftauchen sehen; geht also am so&sovielten ebenfalls rein & denkt euch noch mehr aus.
oder wir sagen ihnen: bleiben wir doch beim feuer.
du setzt dich, sage ich, sagt er, auf diesen ahornbaum & filmst das ganze; genauso gut könntest auch du das filmen oder du.
& du bringst das öl mit, die brennbaren stoffe!
& du beginnst, wie damals in den schnee mit deinem harn, der leider nicht brennbar ist (denke: BRENNBARER harn auf einem schnee, der das brennen NICHT verhindert!), also dein öl auszuschütten in dem bewußtsein, eine BOTSCHAFT zu vermitteln –
kannst du dir vorstellen, sagt er, wie TAUSENDE aus TAUSENDEN gießkännchen öl ausschütten, etwa so gleichzeitig wie das morgendliche zähneputzen, nur mit dem unterschied, im bewußtsein eine BOTSCHAFT zu haben & diese BOTSCHAFT unmittelbar zu vermitteln, sichtbar & nachhaltig?
oder wir sagen ihnen: ihr habt einander doch sicherlich ungeheuer viel zu SAGEN; sagt es euch doch!
ihr geht, so weit ihr wollt, in den wald hinein & bleibt stehn, wo ihr wollt, & beginnt sofort einander alles, was ihr einander zu SAGEN habt, auch wirklich zu sagen, & zwar immer wieder, bis ihr einander wirklich ALLES gesagt habt.
durch das SAGEN trefft ihr einander, sagt er, schreibst du.
durch das TREFFEN erkennt ihr einander; durch das ERKENNEN wißt ihr, was ihr zu tun habt; durch das TUN vermehrt ihr euch & seid mutig & tief usw.usf.
(15.-30.5.1972)