0123 - PESSIMISMUS UND ERFAHRUNG 9
jetzt weiß ich: kuhblut läßt mich nicht schlafen, schreibst du.
auf meinem schlaraffia-sargbett muß ich immer wieder die kuh mit durchschnittener kehle sehen, ihre riesige tödliche wunde.
ich muß meinen kopf in das herausschießende blut halten, es auffangen, weil ich mich immer so vor IDENTIFIKATION gefürchtet hab, jetzt alle schmerzen der identifikation durchmachen, gleichzeitig die kuh & der schlächter & die nachbarin & meine frau seiend, sozusagen ein operierender schriftsteller, auf der schlachtbank erst fündig, schreibst du.
ich erfinde meinen nachbarn hierher: er ist klobig, während seine frau zart ist, von bleicher natur, hinfällig; er ist er ein richtiger schlächter.
er sagt: nicht schweine sollte man schlachten, sondern ehepaare.
währenddessen hält die rauchentwicklung an.
meine frau will sich beschweren, ruft ihre eltern an, öffnet die fenster, schließt sie, malt sich die auswirkungen den SCHWARZEN rauchs auf alle vorhandenen WEISSEN gegenstände aus.
die meisten gegenstände sind hier weiß: außenmauern, fensterflügel, verhänge, inneneinrichtung.
mir gefällt der schurz des schlächters: er ist dottergelb, noch unbefleckt, weil es früher morgen ist. usw. usf.
(15.-30.5.1972)