DZL-06 IN DIE HÖHE SINKEN
Blatt gewählt mit einem hoch vergrößerten Foto,
drauf unscharf verbunden die Buchstaben,
ich ließ nicht locker. Das Allergewöhnlichste
ist kein Geheimnis. Das Gefühl muß ruhig sein,
Gondeln, Brunnen, Kirchen, Masken, Gemälde
müssen ruhig sein. Auftrieb ist unerwünscht,
nur ein In-die-Höhe-Sinken. Langsam aus dem Untergrund,
derselbe bleibend, aber in einem andern Raum:
weg aus der Sonne, aus dem lichtdurchlüfteten Saal
in ein sattes sämiges Dunkel, nicht ohne Schimmer.
Diese Welt ist beweglich, lässt sich leicht mitnehmen,
macht jede Wendung mit. Auf dem Bett ein kleiner
Schauer, der die Erstarrung löst. Mehr als Vergnügen
der Anblick dieses Flottierens, unabhängig
von Tages- und Nachtzeit. Licht muß da sein,
kann künstlich verstärkt werden. Genauso der Innenraum
wie die von Möwen, Schwalben, Flugzeug- und Menschenlärm
markierte Außenwelt. Er begriff seine Geschichte,
so das sichtbare Fragment, das schon zwangsweise
interpretiert worden war. Unschärfe an den Rändern.
Dunkle Einheiten im Aufsteigen, zugleich Sinken.
Alle Ordnungen präsent, ausgestellt. Gesunken,
aufgestiegen: Bett, Fenster, Tische, Kästen,
der marmorierte Steinboden, die Lämpchen, der Luster,
alle Spuren der Benutzung von schnell wechselnden
Benutzern. Er begriff seine Geschichte: im Gedanken
an alle Benutzer, nicht ohne Distanz, heimlicher Liebe
(2013)
(Erschienen in: Der zarte Leib, Edition Korrespondenzen, 2015)