0138 - FRAU B.
steht neben ihrem Sohn,
füttert ihn, streichelt ihm
die Brösel vom Fischmund,
er atmet tief, keucht, den Kopf
in den Polster bohrend, zuckt,
spricht kein Wort, bleibt
schließlich apathisch liegen.
Bei uns in G., sagt Frau B.,
hat ihm nichts gepaßt,
seit seinem ersten Schlaganfall
kommt er vom Saufen nicht mehr los.
Immer, wenn er laut war, aufgedreht hat,
haben die Lacher den Gendarmen geholt,
ihn befreit aus der unzüchtigen Umarmung
der Mutter; dann Einlieferung,
Zwangsentziehung, zurück ins Dorf.
Und dort kurz kein Alkohol,
aber die Späße, die Versuchung der Leut.
Und dann wieder seine Ausfälle,
seine Wahrheitsanfälle, unerträglich
für die fröhlichen Spender:
Weg mit dem Trottel, dem Abschaum,
schnell weg von der Bildfläche!
Weinend erhebt sich Frau B.,
Bedienerin aus G., setzt sich
zu mir ins Auto, steigt bald um
in die Lokalbahn. Als Fuhrlohn
hinterläßt sie ein Glas Schmalz,
eine halbe Knackwurst,
ein kariertes Schneuztuch
und ihren Händedruck.
(17.6.1979)
Trackback URL:
https://earichter.twoday.net/stories/0138-frau-b/modTrackback