0147 - BAHNFAHRT
wach und eindeutig umgrenzt sind die Leiden
an allen Zwangsbeschäftigungen zum Überleben.
Das kleine Land als Plattform ist abschüssig,
als Terrain nur passend für Schifahrer und Musikanten.
Der zornig traurige Mann ist künstlich entschärft,
die nur sonntags einsichtige Frau völlig gestreßt,
schwankend zwischen Männerhaß und zärtlicher Nervosität:
herantretend ergreift sie seinen Österreicher-Schwanz
und denkt zwangshaft an die Erstickungsanfälle ihrer Jugend,
die Pfropfen Menstruationsblut, das Fädchen zwischen den Beinen,
an das nie endende Gelächter ihrer Freundinnen.
Was brennt da draußen in der Ebene? Flache Grünflächen,
Fackeln an allen vier Windecken, in deren Mitte
ein Kind schreit, tröstliches LIFE-Produkt.
Die Waggons schaukeln und rauschen,
die unruhige Mutter versteckt ihr Gesicht in der Zeitung,
und bei der Tür die Pendler, die sich oft schneuzen,
saugen die Landschaft gleichgültig auf. Mein Schmerz
in den Fingerkuppen in Erwartung der Frauengesellschaft.
(15.6.1979)
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