0081 - INDIZIENFALL

eine scharfbegrenzte blutung am linken auge mit einer schwellung bis zur linken schläfe
je ein bluterguß in beiden schläfenmuskeln
eine blutung am linken hinterkopf
eine scharfbegrenzte blutung (elliptisch) an der rechten halsseite (fingerabdruck?)
drei parallel laufende kleinere blutungen in form von fingerabdrücken an der linken halsseite
oberhalb des schlüsselbeins
risse des unterhautstützgewebes und der halsfaszie risse der muskelmasse des
kopfwendemuskels
eine blutung unterhalb der schleimhaut im bereich der linken grube des kehlkopfs
eine 3 cm lange blutung an der vorderen bauchwand
eine quetschung der wand einer krummdarmschlinge blauschwarze verfärbung dieser stelle
über etwa einen halben meter verursacht von einer inneren blutung
eine blutung hinter dem bauchfell in der höhe des vierten und fünften lendenwirbels
blutunterlaufene stellen außen und innen am linken oberarm
eine blauverfärbte blutung an der innenseite des linken schienbeins
eine blutung an der rückseite des linken ringfingers sowie ein hautriß am kleinen finger der
linken hand

(so.20.10.1970)
Sturznest - 2011-11-20 16:08

Eine Mumie für Herrn Richter

was ist uns der schmerz
was ist uns dass uns
herr großmeister spielen sie auf

was ist uns das komma
was uns der punkt

wohin geht das blut
das blut geht wohl weg

wohin geht das weg
das weg geht ins gebiorg

im gebirg sieht es
nichts
im gebirg ist es stumm
wie in uns

e.a.richter - 2011-11-21 09:12

Lieber S, hier war die Grundlage der Obduktionsbericht eines Mordopfers, einer Frau, die ich gekannt habe. Porträt einer Toten anhand der Aufzählung aller Spuren von Gewalteinwirkung. Es geschah in der Ebene, in der Stadt.
Sturznest - 2011-11-21 09:15

Dann lösche ich das lieber oder? Kennen Sie das Gedicht von Fried für die tote Gudrun Ensslin?
e.a.richter - 2011-11-21 14:51

Ich habe hier nur Erich Frieds "Auf den Tod des Generalbundesanwalts Siegfried Buback"

....

2

Dies Stück Fleisch
war einmal ein Kind
und spielte

Dieses Stück Fleisch
war einmal ein Vater
voll Liebe

Dieses Stück Fleisch
glaubte Recht zu tun
und tat Unrecht

Dieses Stück Fleisch
war ein Mensch
und wäre wahrscheinlich

ein besserer Mensch
gewesen
in einer besseren Welt

....

Aber da ist von der Intention kein Bezug herzustellen. Haben Sie das Ensslin-Gedicht?
Sturznest - 2011-11-21 15:08

Gudrun Ensslin

Das Kissen weiß, der Kopf in sener Mitte
Die Haare kurz und etwas ungekämmt
und das Gesicht ein wenig schief, sehr tot
nicht ganz genau mehr auf den Kopf gefügt
von Obduzenten oder seinen Helfern

Zwischen den schönen Zähnen noch viel Gips
nicht mehr entfernt. Es kommt nicht darauf an
Der Mund halb offen. Eine blutige Stelle
am Kinn. Der Pullikragen hochgeschoben
dass man den Hals nicht sieht und seine Wunde

Die Augen nicht ganz zu, als sähen sie
noch immer -was? ...Und dieser rote Fleck
-kein Totenfleck- groß an der Nasenwurzel
wie eine Druckwunde von einer Maske
wenn ein Patient betäubt wird der sich wehrt

der Sarg aus hellem Holz - fast tröstlich. aber
Trost kann nicht sein. Kein Trost und kein Vergessen


(Erich Fried)
Iris2002 - 2011-11-21 14:36

Was

fällt mir auf? Das Datum - die früheren Texte befassen sich sehr oft mit Details aus dem Bereich Gewalt, Verletzung, viel Blut.... oder ist der Befund zu ungenau? :/

e.a.richter - 2011-11-21 19:07

Ja, das hätte mich schon genauer interessiert. Gib einmal bei der Suchmaske "1970" ein. So könntest du vergleichen und sehen, ob dein Befund stimmt.

1970 habe ich viel mit Zeitungszitaten gearbeitet; entweder nur collagiert; oder mehr oder minder versteckt eingebaut. So war - wie bei "Indizienfall"- das Persönliche auf Distanz zu halten mittels einer adaptierten Sprache. Anders gesagt; auch wenn ein nahestehender Mensch ermordet wird, bleiben die Tränen hinter
verschlossenen Türen.

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