F-08a IDYLLE MIT DROHBILD
für links, für uns und die Kinder, das eine
am Rücken, mit einem Mund voller Luftbläschen,
das andere hüpfend vorn oder schreiend
hinten, und wir gehen hinter den Häusern
vorbei, an den Silos in Richtung Schloß
unter unerwartet milder Sonne, und der ältere
Bub springt übers umgefallene Gatter hinein
ins bekannte Geheimnis, ins milchige Licht-
und Schattenspiel unter den Kastanien, lockt uns
zum frischumzäunten Graben, zur bemoosten,
statuenbewehrten Steinbrücke, zum Wunderbaumstumpf:
da lauern reglos Hunderte Käfer, alle
mit einem roten Kreuz am braunen Buckel.
Bettelheim, sagst du, zählt eine Unmenge
Umschreibungen für Massenmord auf, redet
von der Mitschuld der Alliierten
an der Judenvernichtung. Am Güterweg
startet ein Bauer seinen Traktor, fährt
ein Jauchefaß aufs Feld. Unser Kleinkind
sticht seinen Zeigefinger in die Luft:
im Kukuruzacker will er Kolben abbrechen,
entblättern, abnagen wie unlängst.
Und sein Bruder reißt meine Hand an sich:
ich soll ihn tragen, wie vor vier Jahren
im Hohlweg zum Sendemast am Bisamberg.
Wieder im Stadel hinterm Hof,
überfällt mich der Geruch des Strohs, der Säcke,
der verstaubten Geräte, zwingt mich
ein Drohbild zu Boden: sekundenlang
sehe ich dich und die Kinder
schmelzen im bläulichen Feuer.
(1980)
(Erschienen in: Friede den Männern, Residenz Verlag, 1982)