O-27 FRÜHLINKS
Die Ränder ausgelöscht im Schatten.
Naßfüßige Passanten, Verbranntes,
verbrannter blankgewetzter Stein.
Zwetschkenblaue Wolkenwände, weiß
umrändert, Brüstung und Brücke.
Schon ausgebrochen rötlich-grünes Laub,
ein Frühling wie dieser, vor 60 Jahren,
mit deutschen Leutnants, Fliegeroffizieren,
mühsamen Französinnen, müden Familien
auf schmalen Bänken, Rücken an Rücken.
Mucksmäuschenstill die Kinder, jetzt
der Nachhall ihrer Stimmen von überallher.
Angler, die ihre Stangen an zugelöteten
Kanistern fixieren. Sah sie nicht mehr,
auch nicht die Verladekais, nur die bequemen
Zufahrten am Canal Saint Martin, und Boote
voller Touristen, auf Augenhöhe gefangen
zwischen den Schleusentoren. Blicklos
durch alles hindurch, während das Wasser abfloß.
Keine Reste von der Flut, von der Seine her
kein Rückstau, doch Blütenstaub, Blütenblätter
an der Oberfläche. Und Knospenhüllen, Samen
von Platanen auf dem Weg, zwischen den Füßen
(Mittwoch, 24.04.2002, 17.10 Uhr, Paris)
(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)