F-22 EHEGESCHICHTE
gab es früher oft unverhofftes Gelächter,
und wir glaubten jeden Morgen
an einen neuen Anfang der Ehe,
trotz der nächtlichen Auftritte
am Klo oder im Kabinett,
rechneten einander noch nicht
alle Enttäuschungen vor,
den Aufwand an Lebenszeit,
freuten uns auf den Umzug.
Vor den Autos
huschten unsere Träume vorbei,
Blütenalleen, Lagerhäuser,
Friedhöfe, Ölraffinerien,
Schneewächten, Tote
aus den Mülldeponien, lautlos
aufsteigende Flugzeuge.
Das war ein Trost
wie ein Hollywood-Film,
nur Nummern kleiner.
Unter die Autos
sahen wir nicht, auch
als sie sich nicht mehr bewegten,
in einem Wassergraben
oder vor einem jungen Baum.
Unsere Trauer galt uns selber,
den zersplitterten Wünschen,
den verbeulten Hoffnungen,
als das Dröhnen zunahm,
uns Herz und Hirn zerschnitt,
als wir nicht mehr rausfanden
aus dem alltäglichen Handgemenge,
umgeben von eiserner Gleichgültigkeit.
Wenn wir dann endlich ausstiegen,
vor den Augen der Zuschauer,
antworteten wir einander
nur schuldbewußt mit Schweigen,
warteten, hinter die Autos geduckt,
auf einen zufälligen Schuß.
(1981)
(Erschienen in: Friede den Männern, Residenz Verlag, 1982)