Donnerstag, 14. März 2013

D-34 VOM VERSCHWINDEN DER ZEIT

1

einfach eine Woche ohne Telefonkontakt:
es geht mir schlecht; es geht mir gut.
Einfach dieser wachsende Trotz, der langsam
Distanz geschehen läßt. Du bist da, ganz süße,

gebrochene Stimme, nur auf dem Anrufbeantworter,
Nummer fünf oder sieben, zehnmal abgehört.
Erinnerung, Verschlimmerung, die sich nun
erleichtert. Und jetzt die Zeit, ganz die meine,

wie sie mich aussaugt, wie auf einen Tag
so lächerlich genau der andere nachrückt:
ausgreifende Wißbegier, darin versunken,
Glück, sexloses, das sich in Wellen

über Nächte ausbreitet, in Haut und Knochen
verfestigt. Und das andere, du, wer auch immer,
prallt ab. Panzerung schwillt ohne mein Zutun.
Ich sage: Schmerz; doch ist es Schmerz

wie der Schmerz, sehr gewöhnlich, ohne
viel Nährwert, der in disparaten Organen
aufflammt, erlischt, wiedergängerisch?
Bändigt das Selbst – so die verharmlosende

Deutung, die aus dem anderen, dir,
mit mir hadert, zunehmend ohne Grund.
Besitzlosigkeit wie die deine, Großmut,
Bärinnengefühl – warum sollte mir das abgehn?

2

jemand wie du ist verschwunden, hält sich fern.
Mit Worten könnte ich abschweifen,
mich wieder in diese verhaßte Straße, neben
die Tankstelle, mit laufendem Motor plazieren,

wartend, Herzschlagzeit. Kommst du herab,
klopfst du nicht, blickst nur gerunzelt,
sitzt du endlich da, auf die Uhr: Fließt mein Zorn,
der sich längst beruhigt haben muß, etwa

da raus, aus dieser Zumutung, diesem verkünstlichten
Sprachmißverständnis, bald nicht mehr exotisch,
nur energielos erstreckt? Es freut mich, dich so
zu sehen: wie du über dich hinauswächst,

als Maßlose, dann miniaturhaft Geschrumpfte,
als hättest du dich schon von hier verbannt.
Natürlich schneid ich schlecht ab. So leicht,
dich verantwortlich zu machen, aus der Sicht dessen,

der die Verbindung kappt, in einer Blitz-Mixtur
aus Reminiszenzen, die alles verfälschten.
Gedämpfter Abscheu, Selbst-Zerbrechlichkeit.
Drall zur Vereinsamung. Einfach kein Anschluß mehr,

keine Probier-Schritte, keine Fingerversuchung
als wär nichts gewesen. Es war alles,
es war nichts. Red ich herum? Stell ich mich dumm?
Bleib ich nun stumm? Reim ich mich endlich selbst?

(1999)

(Erschienen in: Das leere Kuvert, Bibliothek der Provinz, 2002)

***

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