Montag, 17. Juni 2013

T-07 TATIANA

Niemand im Studentenheim wußte etwas über eine Tatiana Kornienko. Wohl gab es eine Tatiana Beranková, aber die kam aus Tschechien. Also blieb mir nur der Assistent selbst zur weiteren Beobachtung übrig. Vorher wollte ich jedoch noch seine Mappe nach Informationen über sich und seine auswegslose Liebe durchforsten.

„13. Dezember. T. hat Fotos von sich mit. Trägt einen blauen, breitkrempigen Hut zu einem dunkelblauen Kostüm. Officelook auf Russisch. Sehr süß als junge Braut in Weiß. Gerade 19. Auch der Bräutigam sehr attraktiv. Etwas pummelige Tochter. Zum Heim gebracht. Sie davon informiert, daß jemand im Haus ein Kindermädchen sucht.“

„14. Dezember. Zu Frau Schachinger und ihrer 8jährigen Tochter. Als sie hört, daß T. auch eine Tochter hat, scheint sie gleich für sie eingenommen zu sein. Ein Problem könnte werden, daß sie sich auch eine Rechtschreibkorrektur der Hausübungen wünscht. Bringe T. zum Bus. Vertrautheit, Scherzreden.“

„15. Dezember. T. von Anfang an da, lächelnd. Wieder der altmodische rosa Pulli. Gebe ihr eine Kopie des Artikels zum Thema Wirbelsäule. Zeige ihr am Rücken, wo der Trapezmuskel ist. Sagt, sie hat ein Angebot zur Betreuung einer behinderten Frau.“

„31. Dezember. Heftige sexuelle Phantasien mit T., auch wenn berechtigte Zweifel sagen, es gibt da wenig Widerhall. Illusionsmalereien, die den Altersunterschied nicht berücksichtigen. Auch nicht T.s wahre Interessen. Und schon gar nicht ihre Vorgeschichte. Von ihr einige Hinweise darauf, daß sie auch Beziehungen zu älteren Männern hatte.

Ihr täglicher E-Mail-Kontakt mit ihren Eltern stärkt sie und vermindert ihr schlechtes Gewissen. Berichtet brühwarm, was sie gerade denkt und fühlt. Sehe sie durchs Fenster, wie sie am PC sitzt und schreibt. Kann es blind, schaut mir lange in die Augen. Glaube das jedenfalls.“

„2. Jänner. Auf der Fahrt zum Restaurant deutet T. an, sie habe von mir geträumt. Ich hätte zuerst die Tafel gelöscht, dann sie. Was danach passiert war, will sie nicht sagen. Sie wird aber rot. Sie sagt, sie könne nicht lügen. Beim Essen kommt es bruchstückweise heraus: sie erklärt es mit einer Zeichnung, anhand der Positionsveränderungen von mir und ihr in diesem leeren Lehrsaal. Welche Tische wohin verrückt wurden. Dann schreibt sie einen Satz in der Kyrillika. Als ich sage, ich könnte das lesen, streicht sie ihn schnell durch.“

(6. Janner 2007)

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