0133 - ZWEIMAL SCHULE
Im Traum ist die Schule
ein riesenhaftes Gebäude,
verschachtelt, auf vielen Ebenen,
mit vielen Ein- und Ausgängen,
verfallende Pyramide
inmitten des Verkehrslärms.
Und irgendwo drinnen
seh ich mich als Lehrer, auf der Suche
nach dem richtigen Stockwerk,
die Schüler marschieren blind vorbei,
meine Angst nimmt zu,
ich verfehle die Klasse,
ich gerate ins Freie,
doch der Schulwart zieht mich um die Ecke,
es wird totenstill,
ich schleppe mich weiter,
über Treppen hinauf und hinunter,
es gibt kein einziges Zeichen,
das mir den richtigen Weg weist,
ich seh mich schweißgebadet,
entkleidet am Boden,
der Direktor tritt zugleich
aus der Wand und aus der Tafel,
er beruhigt mein Herz.
2
Mit einem verrückten Herzschlag
fängt diesmal die Schule
schon auf der Matratze an,
mit brennenden Augen,
Schmerz in den Schultern,
mit einem vom Schlaf zerknitterten Hemd,
mit Haferflocken in den Haaren,
der Frage nach dem Inhalt der Tasche,
mit klebrigen Büchern,
unleserlich beschriebenen Exzerpten,
mit Methodik und Didaktik
im kleinen Finger.
Und immer wieder
bin ich dann plötzlich weg,
weggeblasen, aufgesogen
von der trockenen Radiatorenluft,
Spielball beschnittener Schülerphantasien,
festgehalten von lautlosen Uhren,
vom Gong, vom Stundenplan,
von der Dienstpragmatik.
Und immer wieder
beginnt der Marsch im Kreis,
vorbei an offenen Klassen,
verwischten Gesichtern.
Mit einem Mal ist die Sonne
riesig hinter den Fenstern,
blutrot lockend: ich bleib stehen,
bis alle Schüler auf den Plätzen sind.
Die Tür fällt ins Schloß,
dreißig Träume fließen aus.
(12.1.1979)