Sonntag, 5. Oktober 2014

0158 - DER TOD IST KEIN WIENER

1

Der Tod ist kein Wiener (sag ich)
der Friedhof kein Maßschuh
für diese Stunde, diese windschiefe
Annäherung an scheinbare Jugendsünden:

Stacheldraht Irrlicht Mond Zypressen:
Ich will dich nicht verletzen, selbst
nicht verletzt werden: Ich übergehe
die Stockerln für den Teufel, Rastplätze,

falls ihm die gestohlenen Seelen
zur Last werden (sagst du), die Stückchen
Heimat, die Erinnerung an süße
Stunden, die sicherlich mit dir

nichts zu tun haben (sag ich):
Sitzabdrücke im Staub
auf den Stufen einer Wendeltreppe,
im Rücken das Perpendikel

der Kirchenuhr; ein Federwisch;
der mein Herzblut stocken läßt,
meine Hand einfriert
in der Bewegung zu deinen Brüsten (sag ich):

Auf den Zehenspitzen gehst du,
die nun ganz andere,
neben mir im erkaltenden Wind
die Gräbergassen hinab

zum Asphaltstern neben den Zisternen,
zu den Grablichtern, deren heftiges Blaken
dich ängstigt, verärgert
über meine Ironie

2

Es ist nicht wie früher (sag ich),
ich fühle keinen unergründlichen
Abgrund (sag ich), dein Widerstand
macht mich beschwingt

und listig, deine Lähmung
ist nur partiell und wird
ein sicheres Ende haben,
ich lasse mich nicht fallen

in eine Kontur von Platzwunden:
Die Gesichter überlagern sich.
die Haare flüstern.
die Lebensalter oszillieren.

Küsse sind eine unverwechselbare
Nebenerscheinung auf dieser Prachtstraße
aus schwarzem Marmor,
abweisende Versteinerungen

verloren gegangener Absichten:
Dein Dufflecoat ist eine Zwangsjacke (sag ich),
in der alle übertretenen Verbote
wüten, dir Schrecken einjagen,

das Nachschleifen deines linken
Fußes verstärkend: Das verschlossene Tor
neben dem Wächterhäuschen
mit der Stacheldrahtfalle

ist unüberwindlich (sagst du):
Der Riß im Zaun, das Dach
des Pissoirs sind die ersten zwei Stufen
unserer Flucht zurück in die Stadt

(Dienstag, 30.4.1982)

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Free Text (1)

Dieses Weblog wird hier archiviert.

Archiv (ab 1967)

Lyrikbände:

Der zarte Leib

Friede den Männern

Das leere Kuvert

Eurotunnel

Obachter

Schreibzimmer

Romane:

Die Berliner Entscheidung

Originalverpackt oder mit Widmung über e.a.richter(ett)gmx(punktt)at erhältlich.

„...Dies ist der Versuch eines komprimierten Familienromans, zugleich ein Reisebericht, der an einen Ort führt, wo die Kriegsschäden an den Menschen und deren Behausungen noch unverhüllt sichtbar sind. Lena und Stefan, von den gegensätzlichen Seiten der Geschichte kommend, unternehmen, sich zwischen Überlebenden und deren Nachkommen bewegend, einen Versöhnungsversuch...“ (Klappentext)

Fliege. Roman eines Augenblicks

Aktuelle Beiträge

0126-1b A KIND OF DEPARTURE
the lady of the house speech-impaired since an incomprehensible...
e.a.richter - 2015-12-30 07:09
0126-1a AUCH EIN ABGANG
die gnädige frau sprachgestört wohnt sie seit einem...
e.a.richter - 2015-12-26 03:43
0107a - THE TEACHERS
the teachers leave the school the prettiest teacher...
e.a.richter - 2015-12-23 21:27
DT-001 FETISCH
(YVONNE) ihre weiße Bluse steif, ein Fetisch, der...
e.a.richter - 2015-12-21 12:12
DZL-18 DAS BETT
das Bett, das alles verraten wollte und nichts verriet:...
e.a.richter - 2015-10-07 04:22
DZL-17 PUPPI
was zu sehen ist, in einzelne Stücke zerlegen; alle...
e.a.richter - 2015-06-02 08:44
DZL-01 WIR GLAUBTEN AN...
wir glaubten an das Blut. Dieses Wir ist mit Vorsicht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:59
DZL-02 MEIN PATTEX
mein Zauberer hieß nicht Pattex, nicht Expatt. Er lebte...
e.a.richter - 2015-05-07 13:58
DZL-03 DER ZARTE LEIB
Zartleibigkeit wird vermißt, auch intensive Zartlebigkeit....
e.a.richter - 2015-05-07 13:56
DZL-04 - ZU MEINER ZEIT
zu meiner Zeit war gar keine Zeit. Die Zeit hatte sich...
e.a.richter - 2015-05-07 13:55
DZL-06 IN DIE HÖHE SINKEN
schwierig zu lesen: Er begriff seine Geschichte. Blatt...
e.a.richter - 2015-05-07 13:53
DZL-07 TISCHLERPLATTE
mein Vater, Tischler, hatte keine Tischlerplatte, er...
e.a.richter - 2015-05-07 13:52
DZL-08 GOLD, GLANZ, HEITERKEIT
sie sagt, ich bin älter als mein Vater, als er zu...
e.a.richter - 2015-05-07 13:51
DZL-09 WIR GLAUBTEN AN...
wir glaubten an das Blut. Dieses Wir ist mit Vorsicht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:51
DZL-10 BRAUTMASCHINE
ein Mann braucht nur eine Wand und eine Braut. Er braucht...
e.a.richter - 2015-05-07 13:50
DZL-11 SCHWIMMERIN
wenn sich das Tor geöffnet hat, fährt allen in ihren...
e.a.richter - 2015-05-07 13:50
DZL-12 FRESSEN UND WUCHERN
Gedichte zu fressen ist nicht meine Sache. Ich lese...
e.a.richter - 2015-05-07 13:49
DZL-13 KONTROLLE VERLIEREN
Kontrolle verlieren, im Nebenraum, wo alles aufgetürmt...
e.a.richter - 2015-05-07 13:49
DZL-14 MUNDSCHUTZ FÜR...
es begann mit strahlenden Augen, auf einer Schnitzerei...
e.a.richter - 2015-05-07 13:48
DZL-15 JUNGE FRAUEN...
dem kleinen Mann macht die Situation einen Gefallen: zwei...
e.a.richter - 2015-05-07 13:48

Free Text (2)

Free Text (3)

Archiv

Oktober 2014
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 2 
 3 
 4 
 6 
 7 
 8 
 9 
11
12
14
15
16
17
19
20
21
23
24
26
27
28
29
30
31
 
 
 

Suche

 

Status

Online seit 4851 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2016-01-06 11:08

Credits


A Roma etc.
Das leere Kuvert
Der zarte Leib
Detonation und Idylle
Die Berliner Entscheidung
Erste Instanz
Eurotunnel
Fliege (Notizen)
Friede den Männern
Jetzt
Licht, Schatten
Namen
Obachter
Pessimismus & Erfahrung
Schreibzimmer
Stummfilmzeit
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren