Donnerstag, 9. Oktober 2014

0159 - VON DER NÜTZLICHKEIT DER DICHTER

Da hatten wir Rilke in der Pubertät
und Benn unter seinem Homburg,
der aus dem Präkambrium stammte,
und Trakl, geschoren bis zum Schwanz,
Fremdling in der Hand meiner Schwester,
und den grünen Heym,
der die Mund zu Mund Beatmung verweigernd
mit zynischem Grinsen das Atmen
vor der Klasse einstellte:
ich legte sie alle
zu den Puppen in den Übungsschaufenstern,
multiplizierte vergegenwärtigte
Augenblicke der Revolution, der Revolte,
heiß von Begehrlichkeit,
mit dem täglichen Mittagsfick über mir:
bodenlos traurig
blieb mir der Bissen im Mund stecken,
während der Araber im Nachbarbett
einen Tausender nach dem andern zerriß,
einer pelzhosigen blonden Krankenschwester zuliebe.
Und irgendwann zwischendurch
Villon, Rimbaud und der von der Vogelweid,
wegen seiner Schwäche für Winde,
Bachbetten und kriegswunde Wälder.
Dann wälzte ich mich auf Joyce ,
erpreßte mit einem Zungenkuß
die Adresse Audens: bei ihm
trank ich verschwitzt ein Bier nach dem andern,
trennte die toten Goldfische
in der Badewanne von den noch lebenden,
ließ, als es Abend wurde,
meine Angst explodieren: querfeldein,
unterm unerträglichen Glockengeläut,
dann floh ich mit dem letzten Zug nach Wien.
Das war das Ende
arschkriecherischer Lebenserwartung
aus den Mündern und Händen der Dichter.

(18.3.1982)

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