Montag, 13. Oktober 2014

0160 - SCHWEIZER FRAGMENTE 1

PATRICIAS ZIMMER

In roter Schrift:
Wir wollen Arbeit, Maschinen -
die Stenotypistin, im roten Kleid,
schwingt ihre Streikfahne
am Plakat über der Heizung.

Auf der Tür, rot umrahmt,
ein Szenenfoto: Chaplin,
sein Kid an sich drückend,
blickt mir überallhin nach,
genauso wie der ungarische Bub,

mit seinen Kristalltränen
auf den hohlen Wangen,
zwischen den Fenstern zum See,
der sich erst heut enthüllt hat,
nach einem heftigen Südsturm:

drüben entsteht jetzt Frankreich,
französische Bergwelt
blaudunstig eingeklemmt
zwischen graugrünen Wasserwogen
und dem schwarzdräuenden Himmel:

Ich will eine kleine weiße Wolke sein
,
signalisiert rot eine Sprechblase
über der gezeichneten Badewanne:
I’m a cloud, a shining cloud,
on a very dark sky.


Daneben, auf Zehenspitzen
greift ein weißes Nervengeflecht
nach einem flüchtigen Vogel,
direkt über Patricias Hut,
ihrem grauschwarzen Vierfachporträt.

Über ihrem lila Bett
vom Plafond hängt eine Zwirnpagode
zum Erdmittelpunkt hin
gespannt von einem Pendelstein,
verdoppelt im Spiegel,

dessen Sprünge zu Ranken werden
am jungen Lebensweinstock,
der aus der Kaminasche wächst,
aus dem roten Wachsherz inmitten der Kolonne
wüst niedergebrannten Kerzen

(30.7.1982, Lausanne)

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