T-12 TATIANA

„Wie ich mich Tatiana gegenüber darstellen will, an P. maßnehmend (Litanei)

Ich, der ich kein exzellenter Reiter bin, überhaupt keiner; aber gut zu Fuß, schlank, kräftig, biegsam und raschen Schritts...

Ich, keineswegs so klein wie er, nämlich 1,66 cm, sondern ihn deutlich – um mehr als 10 cm - überragend, wie du ja vier Tage in der Woche sehen kannst...

Ich, kein unermüdlicher Duellant, auch nicht mit Worten, Rüpeleien, Rempeleien, aber immerhin Kartenspieler, in Familienkreisen, jedoch nicht verwegen, und mit den Regeln zum Beispiel des Ringkampfs nicht vertraut, jedoch mit denen des Fußballs, doch nur ein Fußballspiel-Betrachter, kein Anhänger, einer, der die Farben schnell und nach unergründlichen Regeln wechselt, etwa in der Weise, daß ich, kaum hat das Spiel begonnen, sofort für die eine oder andere Mannschaft Partei ergreife und davon nicht mehr ablasse....

Ich, in manchen Dingen unerschrocken, doch oft auch schüchtern, zumindest nachdenklich, nachforschend und zögerlich, weshalb ich dich – was du vielleicht ähnlich erlebst – keineswegs schnell erobern will, sondern interessiert bin an der Aufrechterhaltung eines - sagen wir - blutig nagenden Gleichgewichtszustands zwischen dir, der Männererfahrenen, und mir, der Frauen um die 20, aber auch deutlich ältere, sehr schnell romantisiert...

Ich, natürlich kein „Nachfahr des abessinischen Hannibal“, keine Mischung aus Affe und Tiger, wie man P. boshaft – oder auch aus Angst - in Schule vorgehalten hat, aber auch nicht so häßlich, wie er sich selber einschätzte, sondern von einer erträglichen Attraktion auf einen gewissen Frauentyp – nicht auf die Extrovertierten, die Blenderinnen, die Musterschülerinnen, sondern auf jene, die auf eine gewisse Nachlässigkeit setzen, die aber nur intensive Aufmerksamkeit maskiert...

Ich, der noch nie seine Fingernägel lang wachsen ließ, noch nie einen mächtigen Backenbart trug (stell dir das doch einmal vor!), sondern nur – und das eher aus Überdruß oder Gleichgültigkeit der Körperpflege gegenüber – das, was über drei, vier Tage hinweg zu sehen ist, also etwas Ungestutztes, zunehmend Dunkles, das die übrige Haut noch heller leuchten läßt...

Ich, noch nie in Frack und Zylinder, weder bei einer Schulvorstellung noch bei Maskenbällen (war ich je auf einem?), nie auch im roten Kattunhemd, wohl aber in weißen oder schwarzen, nie mit Schärpe (welche, die der russischen Bahnhofsvorsteher?) oder gar Strohhut, wenngleich ich Frauen kennengelernt habe, die sich wünschten, daß ich einmal einen Borsalino trüge..."

Hier endet die Seite, mit einem Verweis auf das mit "P.2" bezeichnete Blatt, das mehrmals gefaltet, in einem Kuvert steckte, so als hätte es Ramirer Tatiana übergeben wollen.

(13. Jänner 2007)

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