J-01 DE DOODN / DIE TOTEN

en aana nocht
schreibe a gaunz buach
en fümf joa
bine nua um aan dog ötta:
de doodn faungan zom glotschn au
und ii schaumme duach und duach

(mittwoch, 12.1.1972, 8.15 uhr)

(Erschienen in: Jetzt bist aufgwocht, AV-Presse, Heidelberg, 1973)


(in einer nacht
schreib ich ein ganzes buch
in fünf jahren
bin ich nur um einen tag älter
die toten fangen zu klatschen an
und ich schäm mich durch und durch)
Teresa HzW - 2012-07-08 17:41

claque... claque... claque

Wunderbar!
Ein Mundartgedicht.

[das ich auch ohne Übersetzung verstanden]

...indes...
ob mir das tatsächlich gefiele:
alle fünf Jahre nur um einen Tag weiter zu altern?

Wenn ich einen schlechten Tag erwischte,
dann würde der ja - Hilfe! - fünf heutige [Zähl]jahre andauern.
Bei einem guten Tag dagegen, hätt` ich nichts dagegen,
wenn der fünf Jahre an-dauerte!

Und ja... in einer Nacht ein ganzes Buch schreiben... hätt`was... das würde nach dieser Jahres-Ring-Lochung dann zweieinhalb Jahre [in der heutigen] Gegenwartszeit dauern...

...Ach... was für ein schönes Wochenend-Sonntags-Gedanken-Spiel, das Sie uns da schenken, lieber Herr Richter!

Es grüßt Sie herzlich in den nachmittäglichen Sonn[en]tag hinein, der gerne noch vier Jahre andauern möge!
Teresa :-)

e.a.richter - 2012-07-09 01:21

Ich grüße Sie auch, nach einem wahrscheinlich vergleichbaren Sonnentag an einem dunklen Fluß, der so träg dahinfließt, dass man mit dem Kanu gegen die Strömung mit minimaler Anstrengung bis zur nächsten Wehr fahren kann. (Dort wirds allerdings schwierig.)

Was das Altern betrifft: ich erkläre gern, dass dieser Satz nur der damaligen Leicht-Sinnigkeit entstammen kann. Ein Tag wie der gestrige könnte ohne weiteres – nicht nur von der Temperaturlage her (ca. 30 Grad mittags, am Nachmittag ein kurzes Gewitter, ein wenig Regen, in der Nacht Abkühlung auf 20 Grad), sondern auch, was seine Lebendigkeit betrifft (Präsenz von nahen und fernen Menschen, kein einziger Toter im Gespräch) beispielgebend für die nächsten Jahre sein.

"in einer nacht ... ein ganzes buch" – wahrscheinlich nur ein halbes. Das Buch besteht aus 2 Teilen. Nach meiner Erinnerung stammt nur der erste Teil tatsächlich aus der Nacht zum 12. Jänner 1972. Dem werde ich noch nachgehen.
Teresa HzW - 2012-07-10 09:30

Suchaktion

Ich hoffe nicht, Sie suchen... und... suchen.... und... suchen....
immer.... noch....
weiter ;-)

Wie wohl es wirklich spannend wäre, zu sehen, wie weit man käme, nähme man beim Untergang des letzten Sonnenstrahls den "Griffel" zur Hand und schriebe und schriebe bis zum ersten Aufblitzen des neuen Morgens.
Was dabei wohl heraus käme?

Apropos Schreiben: Schreiben Sie eigentlich [nur noch] auf Computertastatur oder ab und an doch [wieder? immernoch?] mit einem "Stift" [Blei-, Füller, Kugelschreiber]?
e.a.richter - 2012-07-10 11:18

1. Es war keine so lange Suche. Ergebnis: Am frühen Abend vom Dienstag, 11. Jänner 1972 begann ich in einer Café-Konditorei mit dem Schreiben von Dialektgedichten. Da ich nicht schlafen konnte, setzte ich das bis zum nächsten Morgen fort. So entstanden mehr als 50 Spontangedichte, die den abgestuften Vokalreichtum des Dialekts ausnutzten, oft auch die Doppeldeutigkeit von Redewendungen – spitz, trivial, meist radikal verkürzt. (Der zweite Teil - aus dem Oktober 1972 - enthält Porträts von Familienmitgliedern: "a gsunde famüüle".)

2. Dieses von Ihnen vorgeschlagene von Sonnenuntergang- bis Sonnenaufgang-Schreiben wär sicher eines neuerlichen Versuchs wert. Da ich jedoch in der Regel am Morgen noch die Vögel höre, würden dafür in meinem Fall auch die 10 Stunden davor reichen. Denken Sie nicht?

3. Wenn ich unterwegs oder in einer Wartesituation bin, schreibe ich immer mit der Hand in mein schwarzes Notizbuch. Die meisten Gedichte sind in den letzten Jahren so entstanden.

Mit herzlichen Grüßen aus D.
Teresa HzW - 2012-07-10 21:49

ad 1
F ü n f z i g (!) Spontangedichte in einer Nacht:
"A Waaahnsinn"! Da sind die Gedanken im Akkord geflossen ;-)
Schön, wenn man weiß, wann man mit dem Dialektschreiben begann.

ad 2
Das Interessante in einem solchen Schreib[versuch]en liegt doch darin, dabei auch zu beschreiben, ob man übernächtig wird, also ob der Schlaf einen irgendwann doch übermannt und wie die nächtliche Ruhe, der Kampf mit der Müdigkeit und später dann das erste Erwachen der Singvögel den Text beeinflussen würde... wie hoch der Kaffeeverbrauch oder anderer "Aufputschmittel" wäre, um wach zu bleiben, was man dafür tut [vielleicht Wagner-Sinfonien? hören]. Ja, das wäre doch mal eine interessante Schreibstudie, v.a. wenn man sie mit mehreren machte...
naja... vielleicht besser, ich höre auf, nachzudenken, sonst komme ich noch auf ["dumme"] Ideen ;-)))

Die zehn Stunden davor, wäre das dann das Schreiben bei Tag? Bzw. ab Spätnachmittag bis in den nächsten frühen Morgen hinein... [sonst komme ich nicht auf die zehn Stunden]

ad 3
Ich schreibe gern in der S-Bahn, wenn ich nach S hin unterwegs bin... das ist eine gute halbe Stunde und da läßt sich einiges festhalten. Ich liebe es, Dialoge festzuhalten und neu zu mixen,,, in ähnlicher Weise wie der gute alte "Burroughs" :-)

Mit ebenso herzlichen Grüßen vom schiller[nden] Neckarstrand
Teresa :-)

P.S.: und wo liegt D. ?
e.a.richter - 2012-07-11 23:19

ad 1)„Fünfzig (!)“ – sogar ein paar mehr, wenn ich mich nicht verzählt habe. Es war – so – eine einmalige Sache. Doch ich hatte ja schon vorher einiges im Dialekt geschrieben, was wohl mehr damit zusammenhing, dass der in der Familie gesprochen wurde, als dass es seit Ende der 50er Jahre eine „neue Dialektdichtung“ gab (H.C. Artmann, Gerhard Rühm).

ad 2) Sich jetzt einmal versuchsweise mittels der üblichen Aufputschmittel bei Schreiblaune zu halten, halte ich nur für bedingt zielführend, für mich jedenfalls, weil Wachbleiben nicht mein Problem ist. ;-)

Wenn Sie allerdings diese Idee hatten – warum sollten Sie sich das nicht weiter ausmalen und bei Gelegenheit auch ausprobieren, und das noch dazu in guter Gesellschaft? Tun Sies?

Wiederum herzliche Grüße!

PS: Drosendorf liegt an der Thaya im nördlichen Waldviertel an der tschechischen Grenze und ist ein Stadt mit einer noch erhaltenen Stadtmauer, einem wuchtigen Schloß und ca. 1200 Einwohnern.

PPS: Bei Neckar muß ich an Heidelberg denken.
Teresa HzW - 2012-07-12 13:28

@Wie wahr, lieber Herr Richter, wo, wenn nicht "zhaus", lernt ma`s Redn.
Jammerschade, dass nur mehr wenig Dialekt gesprochen wird; in meiner Waldheimat überlegen sie jetzt, doch tatsächlich, in der Schule wieder das "Dialekt sprechen" als Schulfach einzuführen; zu meiner Zeit [Lichtjahre her] hatten die Lehrerinnen die Pflicht, ihren Schülerinnen [später kamen dann auch Schüler hinzu] das hochdeutsche Sprechen beizubringen. Wobei es schon schwer ist, einen echten Altbayern aus der Waldheimat zu verstehen, wenn der mal "los-bellt" : [hou..hou...wou..wou...dou..dou] sind die Laute, die einer aus der Fremde hört ;-)

ad 2)
Wer wollte da Gesellschaft leisten? ;-)

@PS 1
Oh... da wohnen Sie ja fast in Stifter`scher Gesellschaft [wiewohl ich nicht weiß, ob er bis dahin auf seinen Wanderungen durch den Böhmerwald kam!?]

@PPS 1
Bei Ihnen mäandert die Thaya; bei mir der Neckar ;-) - fast ein wenig Spiegel verkehrt wie Sie hier erkennen können: http://goo.gl/maps/bYvF
jajaja... jeder denkt immer an Heidelberg, dabei ist der Neckar dort gar nicht so schön, ziemlich breit und begradigt; so richtig verwunschen ist er ein bisserl bei uns... aber naja... das ist der Lokalkolorit, ich gestehe!
Mal sehn, vielleicht stelle ich morgen mal ein paar schillernde [Lokal]Fotos auf mein Blog [heute mag ich das Bühnen[jubiläums]"bild" nicht stören] ;-)

Herzlich Mittags[g]ruh[ß]end
:-)
e.a.richter - 2012-07-13 01:07

Was den Dialekt betrifft, liebe Teresa, so bin ich verdorben – dh ich habe ihn später nicht mehr literarisch benützt. Die im niederösterreichischen Geburtsort Gebliebenen bellen nicht wie die Ihrigen aus der bairischen„Waldheimat“. Sie benützen allerdings einen schon durchs Fernsehen aufgeweichten Dialekt, der ziemlich der Wiener Umgangssprache entspricht.

Im übrigen gabs damals in der Volksschule und auch im Elternhaus die Tendenz, den Kindern schon von klein auf das Standarddeutsch beizubringen, mit dem Argument, nur so könnte etwas aus dem Kind werden.

An Heidelberg habe ich gedacht, weil ich dorthin anlässlich einer Hochzeit eingeladen war. Den Verlauf des Neckar hatte ich nicht mehr in Erinnerung. Danke für den Link.

Auf Ihre Fotos der lokalen Neckarschlingen bin ich schon gespannt.

Auch diesmal Nachtgrüße aus dem „Honigzimmer“!

PS: Ich habe das Blog zuhause schon für die nächsten 20 Tage aufgefüllt – alles Dialekt. Allerdings – sollte hier die Inspiration schlagend werden, dann…
Teresa HzW - 2012-07-16 20:42

Na, ich hoffe doch sehr, dass die Inspiration ihre Fäden zu Ihnen ins "Honigzimmer" [was für ein schöner Ausdruck!!] hinüber hinauf und hinunter webt. Passen Sie nur auf, dass Sie dann an den klebrigen Fäden nicht mit dem Haupthaar hängen bleiben, das ziept nämlich ganz schön, wenn der Honigfaden erst fest angetrocknet ist ;-)

Ein "süßer" Gruß,
morgen dann wieder mehr
:-)
e.a.richter - 2012-07-17 21:23


Teresa HzW - 2012-07-19 10:00

"Autsch!"

Da hat mich doch glatt eine Ihrer Honigbienen gestochen und beim Lesen des [Dr]übrigen Kommentarbaumes erinnert, dass ich [damals] noch einen Nachtrag anbringen wollte... nun grüble ich seit zwei Tagen, in denen ich der Abschwellung des Stiches zusehe, welcher das gewesen sein könnte!?

*grübel* - wenn man nicht alles gleich hinschreibt und festhält oder wenigstens notiert... dann ist es weg... als Gedanke und Querverweis :-(

Daher danke ich Ihnen sehr, lieber Herr Richter, dass Sie hier wieder eine Spur zum Honig[zimmer]seim gezogen!

Verg[rübelnd]nüglich Sie grüßend
e.a.richter - 2012-07-20 17:17

Also hier gibt’s derzeit keine Bienen, liebe Teresa, außer vielleicht jene, die man summend aus sich selbst herausholt. Doch die stechen nicht und bewirken auch kein An- und Abschwellen.

Allerdings kommen nach den letztens fast täglichen Regenschauern die Weinbergschnecken heraus, erstaunlich begattungsfreudig. Die hinterlassen auch Spuren, vor allem auf den Handinnenflächen der Kinder. Was mich betrifft, so wird wohl von der „Rache der Sprache“ (Helmut Gollner, Studienverlag) viel mehr haften bleiben: „ein russischen prinzehs... naß-tasch oh naß-tasch!“

Mit herzlichen Grüßen aus D.

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