O-44 DER ANDERE VATER
plötzlich, völlig übergangslos.
Nicht rechtend, doch vorwurfsvoll:
namenlos, noch immer, im billigsten Grab.
Er: am glücklichsten unter Brüdern,
brauchbarem Humankapital,
mit Aussicht auf Zukunft, Vergangenheit,
durchglüht im Gegenwartsofen.
Selbst dem Feuer entronnen,
im Gebirge im Kampf: fiel von den Bergen
herab, Resistance, Töter der Töter.
Tötete nicht mit den Waffen, Händen -
mit Wörtern, zählte die Toten
auf den Straßen, am Hauptplatz.
Signierte sie mit Zeichen der Verzeihung.
Verzieh allem Fleisch, das zum Himmel stank.
Verzieh dem Himmel das Feuer, das Eltern
und Großeltern fraß, alle nahen Verwandten.
Versank nicht in deren Asche,
nicht in Trauer, sah Hoffnung.
Heimkehrer aus Hoffnung,
ohne Frau, die noch nie gesehene Tochter,
geduldig als Geduldeter,
wieder beinahe Ausgelöschter.
Er: waagrecht, unsichtbar aufgebahrt,
im Sohnersatz lächelnd, starker
männlicher Vaternachsprecher,
heiterer, fast ohne Tränen.
Er: tränenlos im Roten Bettenhaus,
in dessen unerträglicher Enge,
im unerträglich schönen Ausblick nach Westen,
in diese Westeinfahrt des Lichts.
Ihn streifte das Licht, den haarlosen
Schädel, Schläfenadern,
Nasenrücken, Aderngeflecht auf Händen
und Händen, seine brüchige Haut.
Licht im Dunkel der Augen,
in Augenschatten, im Speichel,
Licht-Spiegel auf der Zunge.
Spricht es jetzt aus, für immer:
nichts soll in mich mehr hinein,
weder Festes noch Flüssiges;
keine Stoffe, kein Wechsel von Stoffen.
Nichts soll mehr heraus.
Was drinnen ist, soll bleiben
oder verdorren, versiegen.
Alles versperrt sich in ihm.
Tief drinnen verschlungen
zwei Buben, er und sein Enkel.
Verschlungene Liebe, verschlungen im Tod,
nicht trennbar durch Blicke, Versprechen, Hiebe -
jetzt der wahre Lebensverschluß.
Übergibt mir Augen, Nase und Ohren.
Hinterläßt alles, ohne Geruch,
im Luftfeuer, in der Feuermächtigkeit.
Setzt sich nicht hin, ist kein Sitznachbar,
kein gnädig Berührbarer. Nichts,
das noch hier wäre, in dieser Nische,
die unentwegt rauscht. Ich fahre,
und er, der andere Vater, entwischt
(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)
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