O-42 ICH, ALS KIND

ich, schnell hingekritzeltes Ich,
mit verlängerter, gekrümmter Zunge,
strahlendblauen Augen rechts und links,
und überall rote Flecken, Tattoos.

Geschaukelt auf der weißen Treppe,
der rosenbekränzten s-förmigen Rutsche,
in der Spielhose mit den weißen Engeln
vor dem plötzlich immergrünen Himmel.

Als sich der Verband vom Knie löst,
erleichtert sich der Krampf in der Hand.
Krusten weggekletzelt, Blut fließt wieder.
Keine Vergiftung, die Narbe bleibt.

Zahnschmelz zeigt sich stahlhart,
Essenschmutz schmilzt sich an.
Im Magen dreht sich alles; was gut schmeckt,
enthüllt sich als schöner bunter Haufen.

Durch die Ellbogenhaut schneidet ein Blatt,
markiert und verwirrt diesen Nachmittag.
Auch ferne, unvergeßliche Stimmen,
zittrige Schatten von verborgenen Toten.

Erinnerungen an sich sträubende Tiere,
Igel, plötzlich starr und kugelig; dann ein sich
immer wieder formierender Ameisenhügel,
an den Weingartenweg geschmiegt.

Woher das nun alles so leuchtet?
Mutters vergeudete Eier, als Sternchen
aufgestiegen, geliebte Richtzeichen,
die auch den größten Mond überdauern

(Samstag, 26.08.2000, 13.50 Uhr)

(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)

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