D-04 ELSTERNGEDICHT
Elster, weißbäuchig, spitzschwänzig,
auf stahlblauen Schwingen
aufblitzende Felder -
lärmt nicht um den Tod Christi,
ist nicht schwatzhaft oder gar streitsüchtig,
wenn sie schwierigen Wörtern nicht gewachsen ist.
Zu zweit schäkern sie von Zeit zu Zeit
von einem Wipfel zum andern,
mittendrin völlig still,
was immer sie da tun,
fühlen, denken, Elsternleid minimieren.
Dann wieder schönfiedrig
von der wehenden Birke
in eine der Nachbarsfichten.
Gelegeverluste rühren mich nicht,
aber der Anblick eines so treuen Paars,
das mit Drahtwürmern Schnecken Grillen Spinnen
lebenslang sich umwirbt und nährt.
Ich wage keinen Mucks auf dem kippeligen Feldbett,
erpicht auf einen Anflug Zutrauen.
Nur einmal saß eine der Elstern
unter der Birke im Gras so nah,
daß ich mich vergaß:
schon entfloh sie
dem greifbaren Begehren,
und ich schalt mich, kettete mich zur Strafe
in meinem Brustkorb fest, mußte Schönheit, Scheu,
viele Wörter mit "sch" am Anfang,
miteinander reimen, bis nur noch Speichel rann
( Sonntag 18.7.1999)
(Erschienen in: Das leere Kuvert, Bibliothek der Provinz, 2002)
(Blick zum Nachbarn: Freaks Nr. 39b.)