EU-12 SCHWARZE WELT (ELECTRIC AVENUE)
alle anderen, schwarze Mädchen, schwarze
Frauen und Männer, tranken und lachten,
auch etwas kauten und rauchten. Saß festgeklebt
auf diesem Drehstuhl, dem Plastikbelag,
schweißig, offenen Munds wartend - worauf?
Unentwegt Busse. Vor der geschlossenen
U-Bahnstation in reflektierenden Westen Schwarze -
setzten sich auf den Boden, tranken lachend.
Schwarze aus den Bussen hasteten vorbei, trugen
Taschen, Köfferchen, Plastiksäcke, Möbelstücke,
Radios. Standen da, stiegen ein und aus, gingen
in Nebenstraßen, kamen aus Gebäuden,
gingen bei Türen rein, bei andern raus -
herrlich unaufhörliche Menschenvermehrung!
Kinder zwischen den Beinen, unter Tischen,
spielten Fangen, Ball mit Obst. Schwarzer Hut,
Tigerpelzbesatz am Mantelkragen - diese Frau,
hüftschwingend verschwunden, war wieder da,
beugte sich runter zu den Früchten, schwenkte
Körbe, lustwandelte, während sich die andern
mit dem Einkaufen, Irgendwohin-Vorrücken
ungemein abmühten. Sah eine Unmenge Füße,
zwischen den Schenkeln Hemdzipfel, Daumen,
vergrößert, halbe Gesichter, Kassa, Bangladeshis,
mißmutigen Mammis zunickend, lächelnde Irin
in transparenter Bluse, überraschend mit einer Rechnung
auf der Handfläche. Draußen, hinter gespannten
Muskelarmen, blaue, auch rosa Blicke, stachen
unter Threadlocks, Turmhauben hervor. Schließlich –
bitzlige Finger auf kahlen Hühnerleibern,
Fischen, die bluteten. Biß wie die andern auch
in Orangen, schlürfte blindlings Saft.
Schluß damit: hob mich von meinem Ausguck .
lachte über die fleckige Hose, gehunwilligen
Schuhe, die rot-weiß-roten Zehen darin
(Samstag, 5.8.2000, 21.50 Uhr, London)
(Erschienen in Eurotunnel, Literaturedition Niederösterreich, 2005)