Freitag, 21. September 2012

EU-16 DIE STIMME (SOUTH KENSINGTON STATION)

blies mich an, dieser fremde Mund,
eröffnete mir, was ich tun sollte.

Folgsam setzte ich mich vor das Glas,
drückte den grünen Knopf.

Las, horchte zugleich, damit ich
nichts falsch machen konnte.

Trotzdem - drei Kinder von oben,
inmitten einer Orangen-Landschaft,

sich Augen, Ohren und Nasen zuhaltend:
saßen lächelnd nur wenige Zentimeter

über meiner Stirn, winzige Püppchen,
Wunschauswüchse, lautlos schaukelnd.

Zogen eine Schar von Gesichtern
hinter sich her, während meines erlosch.

Klappten Tische auf, Projektionsflächen
für schnell wechselnde Spiele.

Lagen nun nackt da, Objekte, schon vermessen,
Daten auf vorbeiflirrenden Listen.

Vielleicht auch nur Vorläufer all jener Figuren
die schlummerten, in mir drinnen,

sich manchmal von selbst belebten,
sich durch den Saal voller Spiegel schleppten,

hin bis zum Auftritt leibhaftiger Gogo-Girls -
Blitz, blecherner Donner,

Wiese, Bäume, Monitore, auch den Himmel darüber
als plumpe Täuschung entlarvend.

Aus dem Automaten die Frauenstimme
sprach wieder, ich blieb stumm.

Schließlich rot blinkend, ein Kreis
über dem Gesicht: ich dachte

ich säße richtig, saß aber völlig falsch.
Hätte den Vorgang wiederholen können,

tat es aber nicht. Etwas passierte,
verborgen vor mir, hinter der Wand.

Erhob mich, wartete draußen
ergeben vor dem Auswurf, ergriff

nach dem Pieps mein Vexierbild,
zerriß es in winzige Stückchen, aß sie auf

(Samstag, 5.8.2000, 12.30 Uhr, London)

(Erschienen in Eurotunnel, Literaturedition Niederösterreich, 2005)

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