FL-13 Fliege (Notizen)
Von einer Fliege kam der Impuls zum ersten Satz, von einem Gedicht die Idee zur Struktur. Das hängt mit meiner Bewunderung für Joseph Brodskys Lyrik zusammen, von dem ich die meisten Bücher besitze. Ich erinnerte mich, einmal ein Gedicht mit dem Titel „Fliege" gelesen zu haben. Glücklicherweise fand ich es in „Brief in die Oase, Hundert Gedichte", herausgegeben von Ralph Dutli, in der Übersetzung von Birgit Veit.
Lieber hätte ich eine zweisprachige Ausgabe gehabt, weil ich Ende der 70er Jahre ein Semester lang eine Russisch-Vorlesung besucht habe, deshalb die Kyrillika lesen kann und einen geringen Grundwortschatz habe.
Zuletzt las ich „Ufer der Verlorenen“, und zwar in Venedig, wovon es auch handelt. Ich war damals auch beim Grab Brodskys im Cimiterio San Michele gewesen.
Im Anfangsstadium von FLIEGE hatte Brodskys Gedicht eine wichtige Funktion. Bald war klar, daß es der verbindende Faden sein würde.
Es umfaßt 21 Abschnitte aus 3 Strophen mit jeweils 4 Versen, also insgesamt 252 Verse. Ich machte daraus 126 Doppelverse, die ich als fortlaufende strukturgebende Motti betrachtete. So ergab sich ein vorwärtsziehendes Strukturprinzip, das versprach, den Text zu einem voraussehbaren Ende zu bringen. Es beginnt so:
"Du singst und singst, da ist der Herbst gekommen.
Zu heizen hat der Ofen übernommen.
Während du singst und segelst,
wurds kalt, es regnet.
Jetzt kriechst du langsam über ebne
speckige Bretter, deinen Blick nicht hebend
dahin, wo du im April auftauchtest,
mühsam jetzt krauchend
und kaum dich regend. Wenig Aufwand braucht es,
dich umzubringen. Doch der Tod, der taugt nicht. ..."
Ich hatte also von Anfang an ein sich aus einem fremden Text ergebendes Ziel. Die Doppelverse aus Brodskys Gedicht beeinflußten oft auch die einzelnen Abschnitte. Ohne deren Inhalt bewußt darauf abgestimmt zu haben, ergaben sich bis jetzt von selbst öfter Bezüglichkeiten.
(13. Dezember 2006, 10:23)