D-29 LAC LEMAN

Hangwiese,
passend zum übrigen Grundstück,
von der du unlängst schriebst,
sie würde einmal dir gehören.

Nachts, in der schwappenden Finsternis -
ich hielt an, atmete; ging
weiter, bis zum Zaun.
Und am Berg hinter mir

gelbe Türöffnung, gelbes Fenster;
und unten am Seeufer die Lichter
von Montreux, Vevey, der Ortschaften
auf dem Mont Pelerin

und dessen vorgelagertenHügeln.
Funkelflüssigkeit Finsternis, weiche Luft.
Nichts roch ich, streckte jedoch
die Arme, bis zu den Fingerspitzen,

ließ sie kreisen, sich dehnen.
Beschrieb so, momentane Lust und Laune,
einen Land- und Seekreis, der allein mir gehört,
feucht leuchtendes Luftinselchen,

so weit das Auge reichte.
Am Fernsehturm oben auf dem Berg
erlosch nur eines der drei roten Lichter.
Atmete heftig, bewußt

hyperventilierend, zwang mich
den Luftausstoß immer heißer zu spüren.
Auch der Einhauch wärmte,
in den Adern erhitztes Blut.

Wie in der abgedunkelten Badewanne
auf der Grasnarbe meine Zehen.
Und dazwischen der heiße Strahl,
mein Blick, der alle nahen Gewächse

zischend in sich sog, untertauchte,
sie einem Zufallsspiel unterwarf.
Der Lac Leman steigt von Genf,
das von hier aus nicht zu sehen ist,

bis zu mir herauf. Er wird die Wiese wässern,
wenn sie deinen Nachkommen gehört.
Sie wird sich an dich erinnern, Erdreich
grünen lassen, nützliches Memento

(Donnerstag, 15.7.1999, 18 Uhr)

(Erschienen in: Das leere Kuvert, Bibliothek der Provinz, 2002)

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