J-26 FOTTA / VATER

hoowen
kauna no imma
aa r a schdiang baun
ooda d weifaßln reparian
ooda d schwaan säkk medn keandl
aufn boon auffedrong
drozz seim bleedn schmeaz
en da brust

oowa wos hods gnuzt
das a so boed
aus da gfauganschoft haam
kumma is das a r em winta
om fümfe en da frua
duachn schneeschduam zom zuch
gwoodn is das a ned wekzong
fon d schwiigaöttan is weis olle
mitanaunda auf eam eigrett haum wei r a
nix mea aundas
kead hod: ollaweu muas ma
wos sichas haum
sicha is sicha

hoowen
kauna no imma
aa r a schdiang baun
ooda d weifaßln reparian
ooda d schwaan säkk medn keandl
aufn boon auffedrong
drozz seim bleedn schmeaz
en da brust
den a nua fagißt
waun a gaach
wos unhamlech unsichas draamd

(oktober 1972)

(Erschienen in: Jetzt bist aufgwocht, AV-Presse, Heidelberg, 1973)


(hobeln
kann er noch immer
auch eine stiege bauen
oder ein weinfaß reparieren
oder die schweren säcke mit dem korn
auf den boden rauftragen
trotz seines blöden schmerzes
in der brust

aber was hats genützt
dass er so bald
aus der gefangenschaft
heimgekommen ist dass er im winter
um fünf in der früh
durch den schneesturm zum zug
gewatet ist dass er nicht
von den schwiegereltern weggezogen ist weil alle
miteinander auf ihn eingeredet haben weil er
nichts mehr anderes gehört hat: immer
muß man was sicheres haben
sicher ist sicher

hobeln
kann er noch immer
auch eine stiege bauen
oder ein weinfaß reparieren
oder die schweren säcke mit dem korn
auf den boden rauftragen
trotz seines blöden schmerzes
in der brust
den er nur vergisst wenn er plötzlich
was unheimlich unsicheres träumt)
Weberin - 2012-08-04 10:00

Es ist schon merkwürdig, dass eigentlich immer wenn Kinder über ihre Eltern nachdenken, etwas zutiefst trauriges dabei herauskommt, vielleicht weil man beim Nachdenken über die Eltern immer den Verlust der Kindheit mitdenkt, die Zeit, als wir unsere Eltern noch nicht "realistisch" (was für ein häßliches Wort in diesem, im menschlichen Zusammenhang) gesehen haben, sondern als Helden, als den Mittelpunkt unserer Welt.

e.a.richter - 2012-08-04 19:06

Liebe E., ich weiß nicht mehr, welche Gefühle mich damals – Anfang der 70er Jahre – bei der Niederschrift der Dialektgedichte beherrscht haben. Sicher war mir der Dialekt näher als jetzt. Wegen des Vokalreichtums und der vielen Wortverkürzungen klingt er melodiöser; und die Pointen erscheinen auch weniger banal als im Standarddeutsch.

Ich habe Väter aus dieser Generation immer bedauert, vielleicht sogar bemitleidet, weil sie nicht mehr aus ihren Fähigkeiten und Begabungen machen konnten. Für die meisten im Dorf, so sie überhaupt zurückkamen, war der Wiederaufbau nach dem Krieg ein ständiges hartes Ringen um das tägliche Brot. Viele konnten von den Erträgnissen einer Bauernwirtschaft nicht leben, also waren sie zu einem Doppelberuf gezwungen und dadurch so erschöpft, daß es fast keinen Spielraum für Familiäres gab. Als Kind hat man das wahrscheinlich nicht so wahrgenommen, sondern den Mythos der Abwesenheit der Väter weiter gepflegt, um daraus seine eigene Triebkraft zu entwickeln, mit deren Hilfe man sich immer mehr von der Familie und den dörflichen Verhältnissen entfernen konnte.

Aus der Distanz verbinden mich mit meiner Kindheit zwei Hauptgefühle: Dankbarkeit dafür, daß ich so frei und naturverbunden aufwachsen konnte; und Bedauern darüber, daß der Zwang zur Verbesserung der Lebensumstände – vor allem im Sinne von „alles für die Zukunft der Kinder“ zu tun - den Eltern die Erfüllung ihrer geheimen Wünsche nicht gestattet hat.

PS: Ein etwas genaueres Blitzlicht hier .

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