Dieses Weblog wird hier archiviert.
Archiv (ab 1967)
Lyrikbände:
Romane:
Originalverpackt oder mit Widmung über e.a.richter(ett)gmx(punktt)at erhältlich.
„...Dies ist der Versuch eines komprimierten Familienromans, zugleich ein Reisebericht, der an einen Ort führt, wo die Kriegsschäden an den Menschen und deren Behausungen noch unverhüllt sichtbar sind. Lena und Stefan, von den gegensätzlichen Seiten der Geschichte kommend, unternehmen, sich zwischen Überlebenden und deren Nachkommen bewegend, einen Versöhnungsversuch...“ (Klappentext)
Fliege. Roman eines Augenblicks
Pubertät
Was heißt: die ewige Pubertät ist partikelhaft immer anwesend, sitzt einem im Nacken. Alle Nöte, Erwartungen, Hoffnungen, alle Abstürze, Verzweiflungen, jede sexuelle, altruistische, misogyne oder menschheitserlösende Regung – das alles ist anwesend, gebrochen, und auch wieder wie von selbst in einem brennenden Zustand.
Ich wollte damals schnell älter werden. Die Zeit zwischen 14 und 18 erschien mir unerträglich lang. Es gab kein Entkommen aus dieser Not, ich stellte mir so oft zwanghaft vor: Nach der Matura. Nach der Matura das andere, das völlig selbstbestimmte, rauschhaft abenteuerliche Leben. Es ist passiert; weniger familiäre Zwänge, aber neue, die sich aus dem Wechsel in die Stadt ergeben haben.
Und dann nach einigen Jahren, in der „Spätpubertät“, die Erwartung: über den Berg. Ich wollte endlich über den Berg sein, das Studium beendet haben, in einer erfüllenden Arbeit tätig sein, in einem neuen sozialen Gefüge, mit einem permanenten Zugang zu allem notwendigen Wissen. Das geschah – ansatzweise - erst mit 25, eine Art Erlösung.
Ewige Pubertät wäre eine zyklische Überflutung mit Jugendlichkeit in dem Sinn, daß man tatsächlich immer wieder in eine Phase gerät, in der alles offen ist. Offener Ausgang. Aus dem Geschlossenen ins Offene; und von dort wieder –zum Schutz der Identität – für einige Zeit wieder ins Geschlossene, zurück ins „System“. So als bestünde eine Freiheit der Wahl, als könnte man sich das Beste aus den Lebensaltern aussuchen, dieses wiederbeleben, ohne sich die Zeit reversibel zurechtdenken zu müssen.
Ich hatte damals zu lange an meinem Glied herumgespielt un plötzlich tauchte da etwas auf, was ich nicht verstand und was mir Angst machte und irgendwie war ich sicher, dass es sehr falsch war, was ich da getan hatte und ich wollte das Jesus mir helfen sollte, er sollte das wieder wegmachen, ich wollte nichts damit zu tun haben, aber da er mir kein Zeichen gab, war ich doch ein wenig enttäuscht, aber auch froh irgendwie.
Ich wollte auch auf keinen Fall achtzehn werden, vorher (ich hatte keine Anung wie) wollte ich mich umbringen.
Warum ich dass so sehr an diesem Alter festmachte, weiß ich noch immer nicht, ich weiß nur dass ich es verschlafen hatte, ich wurde achtzehn und es war genauso furchtbar wie ich es mir vorgestellt hatte
1.Ich habe einige Jesus-Bilder im Kopf, nicht das Ihre, das des Zeichengebers. Am tiefsten hat sich ein Öldruck, über dem Doppelbett der Eltern befindlich, eingeprägt, auf dem Jesus in einem Eichenwald wandelt. Der Problemlöser in einer heilsamen Umgebung, einem kleinen anscheinend sehr nahen Paradies. (Sie hatten ja auch einen Eichenwald.) Ich habe jetzt ein Foto davon gesucht, aber nicht gefunden.
2.Die Sexualität in der Pubertät war von völliger Unwissenheit geprägt. Alles, was damit zusammenhing, war sündig, gesundheitsschädlich, Körper und Gesellschaft zersetzend, also eine Gefahr. Das weibliche Geschlecht war doppelbödig: einerseits die Reine und Gute, die Marienartige; andererseits Maria Magdalena, die Sündige, die Verführerin usw.
Es gab so viele dunkle Geheimnisse, die nicht enthüllt wurden, nicht rechtzeitig, viel zu spät. So vieles, nicht nur in diesem lebensbestimmenden Bereich, zu spät, viel zu spät.
Jesus habe ich im Lauf der Zeit völlig von der Kirche abgetrennt. Aber er spielte keinerlei Rolle als Hilfsfigur bei den Verwirrungen mit Mädchen und Frauen.
3.An Selbstmordgedanken kann ich mich nur im Zusammenhang mit einer Serie über Jugendliche in der Zeitschrift „Kristall“ erinnern. Stimmung und Gedankengänge entsprachen dem, was in Abständen über mich heranbrach. Selbstmord war vor allem ein Gedankenspiel, darin aber eine Verheißung, ein verheißungsvoller Ausweg aus einem scheinbar unlösbaren Dilemma.
PS: Mit meiner Grammatik steht es wirklich nicht zum besten, ich bin ein alter Hauptschüler und selbst in der Hauptschule war ich nicht der Beste, das konnte ich gar nicht, so abwesend wie ich immer wundere ich mich heute noch, dass ich den Sinn von Turngeräten verstand
Was meinen Sie mit der Anspielung auf sich und den Vater als Verschwundenen?
Das erinnerte mich an meinen Vater, weil er das ständig zelebrierte, das ist aber auch schon die Einzige Gemeinsamkeit der Beiden, das Verschwinden.
Auch ich bin eine Weile auf eine Weise verschwunden, in den Schulstunden zum Beispiel und auch später, als ich meine Alkoholkarriere in Angriff nahm.
Aber ich möchte mich hier nicht über mein Leben beschweren, es war nur etwas was mir eingefallen war, im Zusammenhang mit Paul Celan, meinem Vater und dann auch mit mir.
Und darüber hätte ich gerne geschrieben, ich würde alle drei Personen miteinander vermischen, aber dazu müsste ich etwas über die letzten Tage von Celan erfahren..
sie meinen das hier
Celans Kreidestern: Ein Bericht. Mit Briefen und anderen unveröffentlichten Dokumenten