Donnerstag, 24. März 2011

F-05 - Active Poesie

Als der tote Buchebner endlich aufwacht,
vom Lärm im österreichischen Lachkabinett,
aufsteht aus seinem soliden Alpensarg,
raustritt aus seiner Zellulose-Zeit
mit fanatischen Augen, ohne Morphium,
die mörderische Qual des Jahrhunderts im Gesicht,
als er die gepolsterte Tür hier eintritt,
da hört jedes Papierrascheln auf,
die outrierenden Schauspieler fallen textlos um,
der Schatten am Kopf des Geigers stockt:
eine krähende Feuersirene,
Buchebner, mit der noch immer nicht entschärften
Sprengladung im Hirn, fegt seine Feier hinaus
bei den geschlossenen Fenstern,
mit einem Griff in die Bauchhöhle.
Raus fallen die Arbeiter von Schoeller Bleckmann,
die Wickler von Semperit, Friedens-
versehrte an Leib und Seele,
in ihre ungewollte Wiedergeburt.
Einer bläst sich auf, ballt die Faust,
und es regnet eine Unmenge Dinge,
Kühlschränke Reifen Messer Autos:
er signiert sie mit seinem Namen,
sie füllen den Saal,
die Redner gehn unter, schrein um Hilfe,
das Gelächter der Ausgeworfenen erstickt sie.
Lässig befördert der Dichter
den Rest ans Licht: Vorstandsmitglieder,
Direktoren, Experten.
Er lässt sie an ihren Haaren
baumeln. Das ist
active Poesie, schreit er.
Das ist meine Rache,
die lindert ein wenig den Schmerz.
Mit den Lohnstreifen erwürgt er sie alle: Das ist
die Botschaft der Hölle Fabrik,
das ist der Fortschritt.
Als Buchebner seine Kreaturen
in den Bauch wieder einschließt,
kippt er vornüber.
Mit ihm versinkt
seine totale Revolte.
Der tote Raum
hallt wieder,
das gefrorene Blut
taut auf, mühelos
finden die Schauspieler den Anschluss,
die Schatten rühren sich:
es ist, als wär
nichts gewesen.

(1980)

(Blick zum Nachbarn: Freaks 06.)

(Erschienen in: Friede den Männern, Residenz Verlag, 1982)

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