D-17 FAMILIENMUSEUM

kein Hausschuh paßt. Es zieht vom Aufgang her.
Hinter jeder Tür Beete brennender Kerzen, Signale
der Offenheit für alles, was da kommen wird oder muß.

Frage, die du nicht aussprichst: Wo ist der Sarg, Sarkophag,
die Gruft für die ganze Familie? Hinaufgeschleift
über sechzehn steinernen Stufen, die Sohlen

jäh verkürzt auf das Maß eines Pubertierenden:
hin vor das einstige Ehebett, noch immer in Weiß, weißer Moder
aus den Ritzen, auch aus dem blitzblanken Kastenverbau.

Kein Gedanke mehr an den Brandherd Keller
dessen unverputzte Wände, die dort unten eingesperrten Öltanks,
an die Zeit, als du dieses Haus von allen Seiten her unterwühlt hast.

Du wärst vielleicht noch immer gern dieses Kind,
piepsend und grunzend, auf dem weißen Fell, im Bann
der Elternanbetung. Aber jetzt sitzt du da,

der einstige Zappler, ganz ruhig, kannst messenden Blicks
von dir sprechen, deinem fernen, noch unerreichten
Wunschland, kannst Sternbilder projizieren,

einen riesengroßen Flackermond, ihm Protuberanzen
andichten als ersehnte Heimstätte;
und das Ewige Feuer nur streifen, nebenbei,

aus dem sich das Chaos kreißt, Früh- und Spätzeit.
Es muß schnell anders werden. Irgend etwas soll auf jeden Fall
passieren, auch schleichend, auf Umwegen:

Bankenzusammenbruch, Fehler in Chips,
die Kettenreaktionen auslösen, Reaktorunsicherheit imitieren.
Und sicher kein nächstes Jahr im Familieschoß.

Es gibt Ziele, unaussprechliche, und schnell heruntergerasselte.
Es gibt Geborgenheit, die nie analysiert werden darf.
Keine Teile, nur immer das Ganze,

die Wesenheit, Ahnung hinter dem Minimalwissen,
das auch dieses unterhöhlt und auffrißt.
Es gibt und bleibt das Haus, und das Dach

das nicht so bald abheben wird, eine Frau darunter,
die sich an Junges andockt, ihre Arznei gegen Einsamkeit.
Es gibt und bleibt das Museum,

das viel Unausgesprochenes ausspricht, von Dauer glänzt.
Es kann sich hier selbst nicht mehr fortpflanzen,
erstickt irgendwann, in den Möbeln, unterm Teppich

(Dienstag, 28.12.1999, 6.12)

(Erschienen in: Das leere Kuvert, Bibliothek der Provinz, 2002)
Irisnebel (Gast) - 2011-12-29 13:37

das gefaellt mir, drueckt aus, was ich aehnlich empfinde. dabei sind Sie noch sehr human umgegangen ... mit haus, moder und altem, das an junges andockt gegen die zeit und das vergessenwerden.
passt auch in diese zeit der familienfeste.
mfg
Irisnebel

Sturznest - 2011-12-29 17:26

Wenn ich "Die Schule der Dummen" lese, denke ich immer, wir dichten alle noch nicht richtig, und das ist das Beste (ich weiß schon das Komma war falsch gesetzt, aber nun ist es einmal da und ich mag es nicht mehr löschen)Wir dichten alle viel zu sehr ins Reale hinein, wissen Sie was ich mir wünsche für 2012, ein Gedicht aus dem man nicht klug werden kann

Iris2002 - 2011-12-29 18:36

Also:

die langatmige Erklärung für das Nichtlöschen des Kommas - Zeitersparnis war's nicht, was das Löschen des Kommas verhinderte, was sonst? ;) Ich glaube, diese Koketterie mit falscher Interpunktion und schlampiger Rechtschreibung macht einfach Spaß, *nicht*? Und aus Dichtung, die ins Reale hineindichtet, muss man nicht notwendigerweise klug werden - ich glaube, es gibt genug, aus dem man nicht klug wird - da wünsch ich mir nicht noch mehr dazu.... nur so ein erster impulsiver (und orthographisch leider nicht kokett fehlerhafter) Eindruck ;) Die Schule der Dummen - dazu würd' mir schon einiges einfallen, allerdings aus dem 'richtigen Leben' :D:D:D
Trotz alledem: viel Glück für das kommende Jahr allen hier sich Herumtreibenden!
Sturznest - 2011-12-29 18:43

Das Buch sollten Sie lesen, das ist sio fabelhaft, dass man es gar nicht glaubenkann..
Iris2002 - 2011-12-29 19:20

Ich bin

weder ehemalig noch jetzig - und schon gar nicht Biggy ;)
Also eigentlich bin ich schon jetzig - und auch ehemalig, und manchmal auch einmalig - aber meinen Namen hab ich nur einmal geändert, nämlich von I. auf Iris... gefällt mir nämlich besser - schon wegen der verschiedenen Bedeutungen (Blume, Auge - aber immer blau... ) ;)

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„...Dies ist der Versuch eines komprimierten Familienromans, zugleich ein Reisebericht, der an einen Ort führt, wo die Kriegsschäden an den Menschen und deren Behausungen noch unverhüllt sichtbar sind. Lena und Stefan, von den gegensätzlichen Seiten der Geschichte kommend, unternehmen, sich zwischen Überlebenden und deren Nachkommen bewegend, einen Versöhnungsversuch...“ (Klappentext)

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