F-01 BECKETTS KIESEL
in den Taschen wie Beckett, wenn ihn
die Lust zum Lutschen überfällt.
Doch hätt ich welche, hätt ich keine
Bedenken, sie wahllos zu lutschen:
mir ginge es nicht um Zahl, Bezeichnung,
Zirkulation; auch nicht um eine Methode
der größeren Gerechtigkeit:
Kiesel sind rund, glatt, bald körperwarm,
geben ein angenehmes Geräusch von sich,
wenn sie einander berühren; Kiesel
sind keine Individuen, weinen nicht,
machen keine Revolution,
sind zweckmäßig und austauschbar.
Es gibt elegante und handfeste
Lösungen: Beckett hat sie alle
ausprobiert. Er hat einen Text geschrieben
über angenommene Kiesel
in angenommenen Taschen
mit einer angenommenen Gerechtigkeit;
ich aber will etwas Reales,
das sich auch zum Lutschen eignet:
einen Strohhalm, einen Hemdzipfel,
einen Daumen, eine Warze;
oder eben einen wirklichen Kiesel,
als Begleiter, Ballast, Geschoß:
den kann ich auch lutschen
oder schlucken oder herschenken,
mir immer der Folgen bewußt,
oder einfach vergessen.
(15.7.1981)
(Erschienen in: Friede den Männern, Residenz Verlag, 1982)
Bei Kieseln fäöllt mir übrigens eher Knut Hamsuns "Hunger" ein, der Romanheld knabbert doch an Kieselsteinem glaube ich, aber eckettsfiguren natürlich auch, alle knabbern sie, sie knabbern und knabbern, nur um die Welt bei Laune zu halten
Darauf muss ich erstmal an einem Kieselstein lutschen.