FL-15 Fliege (Notizen)
Es gibt einen Entstehungsvermerk zu „Fliege": 1985. In diesem Jahr begann Brodsky von neuem, Weihnachtsgedichte zu schreiben, nachdem die ersten sechs noch in der Sowjetunion entstanden waren.
1973 verfaßte er sein Weihnachtsgedicht in Venedig. Er beklagt darin, daß ihn die Mutter seines Sohne verlassen hat. Erst nach einer 12jährigen Pause nahm er diesen Faden wieder auf. Seine Sehnsucht galt einer glücklichen Familie:
„Sie waren zusammen. Das wichtigste aber:
Sie waren zu dritt. Und so wird jede Habe
und Gabe und Gabel seitdem (mittlerweile)
gespalten in mindestens drei gleiche Teile.“
Elf Jahre blieben ihm noch; einige mit einer neuen Frau, einem neuen Kind.
Was mir am wechselbälgischen Brodsky-Sound gefällt, läßt sich am folgenden recht gut ablesen:
„Marx hatte recht: Für die großen Horden
läßt sich das Dasein nicht besser ordnen!
Nur wäre ich längst beseitigt worden, /
ging es nach ihm . . . Wer verdient am Saldo? -
Hab' keinen Schimmer von all dem Plunder.
Daß ich noch lebe, ist ein Wunder,
Verzeihn Sie mir, doch ich bin so munter
und verlass' die Epoche mit einem Salto!"
Schon mehrmals hatte ich daran gedacht dem Brodsky-Herausgeber und –Übersetzer ein Mail schreiben. Vielleicht könnte er mir Auskunft über die näheren Umstände der Entstehung von „Fliege“ geben.
Anzufügen wäre noch, daß dieses Gedicht eine Widmung trägt: „Für Irene und Alfred Brendel“.
(15. Dezember 2006, 12:21)
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