O-35 WETTERMÄSSIG
Nebel, jedenfalls morgens, und danach die Frage,
ob er sich hebt. Gestern, beispielsweise, hob er sich.
Gleich zeigte sich ein makellos schimmriger Himmel.
Ich saß in der Kammer, streckte mich auf dem Moor aus,
eingepackt in Laken und Decke, wollte lesen,
bemerkte in der vibrierende Dunkelheit einen Vorhang,
nur am Rand ein wenig gerafft, einen Spalt Außenwelt.
Später sah ich durchs Fenster: nur Wolken,
von allen Seiten zusammengepreßt, hinter dem Nebentrakt
aufgetürmt, im Westen, zu einer steilen ausufernden
Anhöhe, in der Farbflächen durcheinanderwirbelten.
Jetzt achtete ich nicht mehr länger auf den Himmel.
Zurückgezogen in die beiden Stiegenhäuser, verschachtelten
Gänge, klammernden Räumlichkeiten in allen Etagen,
verbrachte ich Tag und Abend. Noch immer
keine Sonne, die das Wochenende erheitert.
Die Wiesen mattgrün, sattbraune geackerte Felder.
An einigen Stellen Birken in diesem mit jeder Drehung entfalteten
Landschaftsprospekt, gelb inmitten noch grüner Baumbestände.
Keine Ahnung, wer unter diesem rotem Dach dort wohnt.
Soll ich hingehen? Soll ich überhaupt einem der Wege folgen,
die sich im Blickfeld kreuzen? Hat sich der Nebel, der plötzlich
alles wegsaugt, nur für mich hier niedergelassen
(Mittwoch, 25.10.2000, 8.50 Uhr, St. Georgen)
(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)
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