O-18 SILVESTERPFAD
nichts getrunken unter allen,
die tranken: Ausschenkenden,
Tanzenden mit ihren riesigen
Silbermaschen, Zweitausenderhüten,
rotblinkenden Plastikfühlern.
Sie kamen von allen Seiten.
Ließ sie vorbei,
beäugte sie von den Ecken her,
aus Nebenstraßen,
über Denkmalbrüstungen,
Müllcontainer hinweg.
Nur einer ließ mich stillstehn:
der Feuerjongleur.
Zauberte Feuer um seinen Körper,
erforschte es dabei,
ließ es lang leben:
auf dem Kopf,
in den Achselhöhlen,
zwischen den Beinen.
Dann wandte ich mich ab,
sah nur eine einzige Verlockung
hinter Fensterscheiben:
auf einem Plakat Frauen mit Flügeln,
in Unterwäsche,
übermannt von wintergrünen Schatten.
Und am Ende der Straße,
unter Neonschriften,
ihre unwillkürliche Vermehrung -
Schaufensterpuppen,
in Reih und Glied auf dem Rücken,
die Beine nach oben gespreizt,
in den Knien abgewinkelt,
als würden sie tanzen:
erhoben sich nicht,
demolierten keine Scheiben,
stimmten keinen Chor an,
versammelten sich nicht zum Reigen:
ließen mich laufen,
ins nächste Jahr
(Sonntag, 2.1.2000, 6.35 Uhr)
(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)