DB-045 (18) (Stefans Drecksepisode)
Es genüge, wenn das Gespräch auf die Wirtschaft komme, auf die kleinen Fehler im Mechanismus, die sich zu großen Fehlern ausgewachsen hätten. Wir sind direkt der Hauptverwaltung für Kompromißwirtschaft und Koordinierung des Mangels unterstellt, sagt Götz und haut auf den Tisch. Eine alte Diskussion, die zu nichts führt. Aber ihm, dem Fremden, dem aus einer ganz andern Welt, müsse er ja einen kleinen Einblick in die einheimischen Freuden des Lebens geben.
Brauche ich einen Vorschalldämpfer, zum Beispiel, schreit Götz, wird die gesamte Familie um einen Vorschalldämpfer geschickt. Kriege ich einen, kaufe oder tausche ich nicht einen, sondern zehn. Damit bin ich einerseits verantwortlich für den Mangel an Vorschalldämpfern in dem Bereich, wo ich sie mir beschafft habe; zugleich habe ich aber auch ein Faustpfand in der Hand für den Fall eines weiteren Mangels. Braucht nämlich ein anderer einen Vorschalldämpfer, und er hat Kohlen, dann kriege ich eben die Kohlen, die ich ohne Vorschalldämpfer nie kriegen würde.
In diesem Land muß man pfiffig sein, um sich mit den Dingen des täglichen - vor allem aber des nichtalltäglichen - Gebrauchs zu versorgen. Du gehst nicht einfach ins Geschäft und sagst, du willst einen Vorschalldämpfer. Und du gibst auch dem Verkäufer nicht sofort Geld, damit er vom Ernst der Lage überzeugt ist.
Zuerst einmal mußt du in bestimmten Abständen erscheinen und dein Interesse an Vorschalldämpfern bekunden. Damit bist du ihm als Gesicht bekannt, das er ohne Angst, daß du von der Arbeiter- und Bauernkontrolle bist, mit Vorschalldämpfern in Verbindung bringen kann.
Endlich bist du als echt Suchender eingestuft. Jetzt läßt sich der Verkäufer auch bereitwillig bestechen. Er nennt dir einen Termin, zu dem eine Lieferung Vorschalldämpfer zu erwarten ist. Und wenn dann dieses Datum da ist, gehst du mit der ganzen Familie hin und deckst dich mit Vorschalldämpfern ein, obwohl du eigentlich nur einen brauchst.
Damit ist die Entstehung unserer Vorratswirtschaft erklärt. Götz blickt Stefan selbstbewußt an. Denn gleichzeitig hat er alle Gläser und Teller gereinigt und das Besteck geputzt.
Wenn ich richtig verstehe, sagt Stefan listig, ginge es vor allem um eine Koordinierung des Mangels mit dem Vorrat. Götz nickt, zufrieden mit dem Ergebnis seiner kleinen Einführung in die hiesigen Probleme der Ökonomie.
(Die Berliner Entscheidung, Residenz Verlag, 1984)