Samstag, 23. Februar 2013

DB-81 (29) (Genau das tue ich)

Genau das tue ich, genau deshalb stehe ich bei Julia in der Küche, einer beinahe so dampfenden, heißen, wie ich sie in meiner Kindheit so gern als Gegensatz zur kalten, unberührbaren Küche meiner Mutter aufgesucht habe. Mehrere Töpfe, in denen es vielstimmig vor sich hinbrodelt. Die Suppe, das Gemüse, die Kartoffeln.

Julia holt noch Zwiebeln und Pilze, deren Zerkleinerung sie mir überläßt. Sie tritt zum Herd, um in einer Pfanne Fett zu bräunen, in das sie dann mit der Hand zurechtgemodelte Fleischlaibchen drückt. Ich vermische inzwischen das Zerhackte mit den schon vorher geraspelten Karotten. Endlich gemeinsam kochen und nur Handlangerin sein. Endlich liebevolle Gemeinsamkeit mit einer Frau.

Ich erinnere mich, wie du immer alle meine Einladungen abgelehnt hast. Ich wollte dich immer in meiner Küche haben und dich bekochen. Du hast dich aber immer auf deine Prinzipien als Therapeutin berufen. Du wolltest als Anwältin mir und meinen Eltern in mir gegenüberstehen, aber nicht in mein banales Privat- und Gefühlsleben hineingezogen werden.

Du hast dich in einer künstlichen Abgespaltetheit von mir gehalten und das mit den Notwendigkeiten der Therapie begründet. Du wolltest weder meine Ohnmacht, meine Hilflosigkeit noch meine nicht gerade häufigen Allmachtsphantasien mit mir teilen. Du wolltest mir meine Chance auf Selbstbefreiung nicht vermasseln. Du wolltest mir die Erkenntnis meiner Übertragungen nicht durch deine aktive Teilnahme und Einmischung verhindern. Du wolltest meine Bedürfnisse nach Spiegelung, Echo, Zuwendung und Austausch möglichst rein herauskristallisieren.

Leider mußte ich dir immer einen Strich durch die Rechnung machen. Ich war keine brave Heilungssüchtige. Ich mußte oft (ich zitiere C. G. Jung!) deinen achso schöpferischen, ahnungsvollen germanischen Seelengrund mit meiner jüdischen Zersetzungslust als kindisch-banalen Sumpf entlarven. Leider mußte ich dich so oft in Versuchung bringen, der du immer berufsmäßig erfolgreich widerstanden hast.

Im Gegensatz zu dir entzieht sich Julia nicht. Meine Gesellschaft animiert sie. Schließlich essen wir kichernd und plaudern. Ich fühle mich nicht ausgeliefert, sondern schwesterlich offen. Und in diese aufmerksam flirrende Bereitschaft hinein sagt Julia mit einem eigentümlich verschleierten Blick, daß ihr etwas sehr auf dem Herzen liege. Etwas sei geschehen und nun nicht mehr rückgängig zu machen.

(Die Berliner Entscheidung, Residenz Verlag, 1984)

***

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