0077g -SIEBEN-TAGE-GEDICHT 7

kein allzu bedachtes leben manches nur so nebenbei sagst du
beruhigung kommt auf ohne gefördert zu sein die haut ist wieder empfindlich
der speichel nicht abstoßend der fremde geruch anschmiegsam
übers geld wird geschwiegen die lackspuren auf den wimpern lidern in den
nasenlöchern haben sich von selbst entfernt
das bad hat das völlegefühl nicht verstärkt die rückenschmerzen sind weggestreichelt
an kinder zu denken ist weder schrecklich noch schön ihr künftiges dasein eine
unwillkürliche tatsache

(do.9.7.1970)
Sturznest - 2011-10-19 15:55

das bad hat viel mitgefühl mit dir ...sagt sie

läßt ihre sätze fallen
weil sie weiß dass du darüber stolperst

ihre augen so dunkel wie schnee wenn er spazieren geht

sieht in deinen augen und hört nicht auf damit nackt zu sein

ein spiegel der nicht erkennt was ein wort sein kann
ein scherz oder irgendeine nacht
die dein verlangen längst vergessen hat

e.a.richter - 2011-10-20 20:55

Dieses Bad

Dieses Bad ist ein völlig gedichtloses Bad.
Es liegt zwischen Küche und Diele, der kürzeste Weg für den Transport
von Getränken und Speisen in die eine und andere Richtung,
auch von unten nach oben und drinnen und draußen.

Dieses Bad hat eine Menge Kinder kennengelernt,
Scheiße und Kotze von Kindern, auch erwachsenen
Kindern, Frauenmädchen, Bubenmännern
und entschlossen versperrte Türen auf beiden Seiten.

Dieses Bad ist ein völlig gedichtloses Bad,
aber voller Gesichter: jede eigenhändig angebrachte Kachel
widerspiegelt jedes Gesicht, das jemals im erkennbaren Umkreis
völlig lautlos oder lauthals schreiend aufgetaucht ist.

Dieses Bad ist ein Erinnerungsbad,
ein jahrzehntelanges dunkel zuckendes Familienereignis,
das sich auf ein einzigen brennenden Punkt zusammenschrumpft läßt:
den des gegenseitigen Erkennens, den des Verlassens

Sturznest - 2011-10-20 21:06

ich stelle mir dieses bad mit unseren körpern vor
ihre dunklen augen im schnee

das kerzenlicht versöhnt mit dem wasser

alles was hineinfloss hatte einen namen

was uns fremd war belogen wir
dann war es uns schon nicht mehr fremd

während wir unsere hände mit worten belegten
mit augen die einen körper ansahen der nichts mit uns zu tun hatte
e.a.richter - 2011-10-20 21:40

Sehr weiß

es gab einen Körper, sehr weiß, der im Wasser stäubte.
Es gab einen Körper, sehr weiß, der sich wand und schrie,
wenn die Mutter hinter der Tür ihr jeden Mann verbot
und der Vater im Kabinett auf die Tochter lauerte, sie stracks
mit Zahlen traktierte, während sie sich unter dem nassen Zopf herauswand,
nur für ihn kahl. Der kahle Tochterkörper, der Vaterkörper,
beide nass, bis zu den Hüften im Wasser, im Kabinett, das dampfte.
Der Mutterkörper hinter der Tür, der Vaterkörper die einzige Rettung
vor der plötzlichen Entleerung. Das leere Kabinett, das, aus dem Tochterkörper
entlassen, wie eine Handtasche mitgenommen werden konnte.
Die Tochter mit der Handtasche, unter ihrem schwarzen Zopf
das Allerschönste, was Vater und Mutter jemals hätte passieren können.
Es gab einen Körper, sehr weiß, anschmiegsam, eingenäßt
von allen Vorstellungskräften, die ihn drangsalierten
mit Weiblichkeiten, die sie ihm sofort wieder entzogen.
Der weiße weibliche Körper, durchnäßt in der Phantasie -
immer ein Rauschen, eine stillstehende Bewegung


Sturznest - 2011-10-20 21:46

und geschichten; die zwischen den orten hin und her wechselten; die keinen schaum nötig hatten; der
leichtsinn der schritte; kein versuch unterzugehen und
es gab sie; die in diesen schritten ging; sich auskannte mit
ausgebrannten körpern; mit guten onkeln die nur einmal
ihre hand berühren wollten; es gab dies alles und es gab sie; diese schöne; mit der man in der nacht alles erkennen kann; den mond und den schaum der welt; die dummen männer mit zu feuchten lippen; erkennen den mond nicht; sie hatten sich in den halbvergessenen abgrund gestürzt und
wir hörten sie nicht einmal schreien
e.a.richter - 2011-10-21 00:40

Vom halbvergessenen Abgrund

etwas Ausgebreitetes über dem Meer, mit Überblick über diese
Inselkargheit, stets anziehend, trotzdem voller Abstoßungseffekt.
Wie sich das alles durchsichtig konturiert, mit harten, blauen Schatten .
Wer nimmt jetzt das Ich entgegen, wer diesen leichtsinnigen Moment?

Talmulde, Trapez zum Meer hin, gleich offen für einen kargen, karstigen Brocken,
oberflächlich geglättet, diese Insel, Prvic, rechts. Auch für die Insel daneben.
Der Rücken, gekerbt vom Gestein, das Blick und Boote dort unten beschwert;
und Getucker, Insekten, starre Röllchenwolken. So fern von jenem Ort, voller Präsenz:

Disteln, die zittern, Steinspitzen, Stichwörter für Haut und Fleisch.
Und gleich springt jemand auf und hinunter ins Ausgebreitete.
Hinunterspringen ereignet sich, ist der kürzeste Weg einer Ausbreitung
hin zu den Bootsteilen, die nur ein Bild sind, Anmutung einer Mosaik-Essenz.

Kein Aufplatschen - unkenntliche Fleischklumpen,
die langsam ins Wasser rollen und Luft ausstoßen. So ereignet sich
weiterhin Essenz, auch unter Wasser, dicht unter der Oberfläche,
zu der etwas Heiteres – Luft – aufsteigt. Ich bleibt am Leben,

sichtbar aus einer gewissen Entfernung, der Sicht eines Baums:
ockerbrauner Schmetterling, dunkelbraun, weißgetupft, grün
schimmernd der Oberleib, gegen den Wind ausgebreitete Flügel.
Etwas Ausgebreitetes, eine Wunde tief offen, die sich nicht mehr schließen wird

Sturznest - 2011-10-21 02:18

aufgebracht vom ewigen ereignis sitzt der selbstmörder ganz früh auf seiner belegten zunge...
es riecht nach pistazien; nach zikaden riecht es nicht (da hat das sonnensystem gerade was dagegen)
komm schon ruft sich das schicksal zu, helfen wir dem schicksalslosen; machen wir aus gedanken zwei; gepaart durch etwas luft setzen wir das springen in die höh...
das fensterbrett steht offen; die weite im gesicht; hinter den büschen lauert die niedertracht; das leben!
wer jetzt nicht starrt kann es auch vergessen; wer jetzt nicht in den zimmern sitzt wird lange auf den bänken sitzenbleiben; wird warten, in die leere schauen; wird sich von der welt in einem anderen ton trennen als der fliegende; der mit den tauben ist...die nicht einmal sehen; dass er abstürzt und wenn schon...und wenn schon
was hätten sie denn sonst noch für ihn tun können

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