FL-05 Fliege (Notizen)
Angst vor Staub ist für mich eine seltsame Angst, ich kenne sie nicht. Ich denke sofort an einen verlassenen Raum oder ein verlassenes Haus, in dem sich schon lange kein Mensch mehr aufgehalten hat.
Wie oft habe ich solche Räume betreten! Schon als Kind empfand ich sie romantisch, gruselig, verwunschen, beglückend. Staubgeruch! Immer wieder hatte die Zeit ausgesetzt, und diese ausgesetzte Zeit hatte sich in Form von Staub materialisiert. Wie schön, daß die Zeit so materiell ist und sich ihrem Vergehen nicht entziehen kann!
Ich war von Anfang an umgeben von den verschiedensten Stäuben an den verschiedenen Orten im Haus und der Natur. Sehr erfreute mich das staubige Mehl, die staubige Kleie, der Staub im Stadel und auf dem Heuboden. Der Erdstaub auf den Feldern und im Weingarten. Der Staub, den schon der kleinste Wind im Hof aufwirbeln konnte. Der Staub, den die Herbststürme von weit her mit sich brachten.
Jetzt sehe ich alle verlassenen Räume, die ich jemals betreten hatte, wieder mit Staub bedeckt. Die Spuren meiner Nachgänger, die vielleicht eine Weile sichtbar geblieben waren, sind schon lange verschwunden und immer wieder durch neue ersetzt worden. Die Vorstellung der ständigen Bewegung all dieser Stäube macht mich heiter und ruhig.
(2. Dezember 2006, 10:27)
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