L-07 HAARSCHARFES UNGLÜCK
auf verlagerten Kindheitsbetten, in der Wiege,
Truhe, in den Körnermulden, im Heuloch.
Das sind die Ausgangspunkte,
in denen sich noch immer gut ruhen läßt:
blütenweißes Kind mit rotvioletten Augen.
Etwas blutet, eine der ständigen Verletzungen,
dem Körper ist so oft etwas im Weg,
wenn er sich erheben will - helles Blut,
das sich schnell verkrustet. Diese Selbst-Regenwäsche –
probates Mittel, um sich zu ermächtigen,
jederzeit ertüchtigt als Tragtier,
Fütterungsinstrument, Bildungsinstanz -
heraus aus der sozialen Misere. Die dicken Tanten,
die ewig fuchsteufelswilde Nachbarin:
steckengeblieben im Streit. Und ich:
dem Keller verhaftet, der Gärgasgefahr,
Treibhausatmosphäre, den Blitzjahrmillionen.
Jederzeit am Unglück haarscharf vorbei.
Und dazu auch noch Altersschwindel,
verspäteter Jugendirrsinn, aus dem Überfall
von Phantasmen gespeist, aus Erinnerungsdisponaten,
die jeweils ein Ganzes ergeben, willkommenes
Konstrukt aus Körperfragmenten,
das weiteratmet, Blutabnahmen übersteht,
Zahnaufbohrungen und der Versuchung,
von neuem eigensinnig Nachkommen zu zeugen
(Sonntag, 17. September 2006, 9.55 Uhr, Venedig)
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