DB-034 15 (Mein Reisauflauf)
Mein Reisauflauf hat die Turbulenzen der Rückkehr der Gastgeber nicht beruhigen können. Denn weder Beate noch Götz (und schon gar nicht die Buben) goutieren diese freundliche Milchspeise: Höflich kauen sie, beherrschen ihre Gesichter. Aber bald vergessen sie auf die Mundbewegungen und lassen die Löffel liegen. Sascha bringt nicht einmal hinunter, was er noch im Mund hat, sondern läßt es mit angewidert hervorquellenden Augen so lange kreisen, bis ihn Götz aufs Klo schickt.
Beate hat eine weitere Abtreibung hinter sich, hat den Fötus ihrer Dissertation, ihrer wissenschaftlichen Karriere geopfert. Und Götz, ganz Ehemann, erklärt für sie, daß sie jetzt physisch schon viel besser dastehe als vor dem Ostsee-Urlaub, obwohl sie von den Strapazen gezeichnet ist.
Dieser Bär von einem Mann neben dieser fragilen Jüdin! Während er strotzt, schrumpft sie! Daß sie das von ihm gezeugte Leben wieder ausgestoßen hat, ist gegen seinen Willen geschehen: Er könnte sich leicht noch weitere Söhne einverleiben, ohne unter ihrer Last zusammenzubrechen.
Unwidersprochen kann er sich als der doppelt Belastete darstellen, und er führt die sofort in Gang gesetzte Waschmaschine, die ausgeräumten Koffer, die blitzblank geputzte Küche als Beweis dafür an, daß wir uns hier auf dem Boden des reformierten Patriarchats befinden. Hier geht der Mann zuhause dem Lebenserwerb nach, betreut nebenbei die Kinder, führt den Haushalt und vertritt die Familie nach außen.
Wohlwollend, gutmütig brummend hat er zuerst Beates Spalt mit seinem Samen gefüllt, dann nicht zulassen wollen, daß man ihr das Gewächs herauskratzt. Trotzdem ist es jetzt zerstückelter Abfall, doch die Siegerin davon so geschwächt, daß Götz ihr ungestraft vorwerfen kann, sie wäre derzeit nicht einmal zur Weiterführung ihrer wissenschaftlichen Arbeit in der Lage.
Götz mit seinen blitzenden, stahlblauen Augen, seinen roten, aufgeworfenen Lippen zwischen den Barthälften wird alles zu ihrer Schonung tun, und Beate wird sich dies gefallen lassen müssen.
Ich kann mir leicht vorstellen, warum sie trotz der Zwistigkeiten um die Abtreibung loyal zu ihm steht. Gleichzeitig rechne ich damit, daß ihr Kampfgeist wieder aufleben wird. So einfach darf nicht entschieden sein, wer oben zu sein hat und wer unten; wem die Lust durchgeht und wen die Ordnung stärkt; wer lockt und wer mit Macht abblockt.
Vom Reisauflauf ist das meiste übriggeblieben. Während ich mich ersatzweise mit größeren Brocken abmühe, kommt Götz jetzt auf meine Frage nach seinem Vater zurück. Nur soviel: Der habe sich kaum um ihn gekümmert. Hätte er sich nicht selbst auf die Füße gestellt und den Kopf unter die Arme genommen, wäre er sicher in der Gosse gelandet.
(Die Berliner Entscheidung, Residenz Verlag, 1984)