F-11 SOZIALBERICHT
im Gedicht, das Wort
Gedicht. Das Wort Konjunktur-
aufschwung, das Wort
Arbeitslosigkeit, das Wort Armut.
In der Badewanne am Abend
mit nassem Kopf, auf meinen Knien. Haupt-
und Nebensätze, Haupt-
und Nebenwidersprüche, sozial-
partnerschaftlich bereinigt. Erstens -
neben dem wachsenden Handelsbilanzdefizit
drücken sich die Strukturprobleme
auch in der hohen Insolvenzenzahl aus. Zweitens -
Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt
haben vor allem ältere Arbeitnehmer,
bedingt Vermittlungsgeeignete
und Frauen. Drittens -
die Lohnquote sinkt, es steigt
die Gewinnquote. Viertens -
unverändert bleibt die Einkommensungleichheit.
Ich fühl mein Herz, Disharmonie
zwischen rechts und links, oben
und unten, Tachykardie. Aus dem Kabinett
hör ich die nächtlichen Schreie,
das Hüsteln und Räuspern aus dem Lichthof,
bis das Kind dann da steht,
blauäugiger als sonst: das dicke Buch
soll ins Wasser, schwimmen.
Klar ist der verhüllte Kontext,
mein Mikrokosmos: die Ängste
und die Ursachen der Ängste,
ihre irrationale Paradoxie
auf dem Hintergrund ihrer eindeutigen
Unkenntlichkeit: wo
stecken die Vermittler
zwischen mir und dem makrosozialen System?
Das Wort Wirklichkeit
im Gedicht, das Wort Schmerz.
Der Schritt über den Wannenrand,
die beiden Häute, kurz aneinander,
das zapplige Streben hinunter
zum festen Grund.
(4.9.1981)
(Erschienen in: Friede den Männern, Residenz Verlag, 1982)
das wort anke
das wort handballspielerin
das wort slivovitz
den boden glatt geräumt mit unseren körpern träumten wir
in den augen des anderen wäre eine komplett andere geschichte...
das wort zukunft in den händen einer pistole
das wort genuss
das wort wortgenuss in dem pfeifen einer handballerin
das wort lüge; das wort dass man nicht sagte
weil der atem der so großartig schmecken könnte
nichts zu tun hat mit der wahrheit
das wort apfelwein, das wort auf einem hocker sitzen; mit ihr
über das jugoslawien reden; solange bis ihre augen schweigen; bis wir wieder dort
sind wo wir von anfang an hingehörten;
die frage an den wirt
das wort FRAGE NACH DEM NÄCHSTEN GETRÄNK
das wort ZUSAMMENHANG
das gerissene wort
zerissen vom wort UNMÖGLIch
da nimmt was gestalt an;
wir raufen es auseinander (immer noch)
wir warten darauf; wir plagen!
wir riefen nach APFELWEIN
aber der wirt verschenkte seinen traurigsten blick
fühlbar war der
beinah schmerzhaft; krachten wir in das nächste Wort
wir fanden den BODEN wieder und wir fanden ihn zu zweit
in jener nacht als irgendwer von der helligkeit träumte