O-39 BERLINER ZIMMER 2
keins ist: verschlossener Mund,
grad die Lippenlinie; standhafter Blick.
Nur die rechte Brust – fester, abgegrenzter Hügel
mit brauner Warze inmitten eines rosigen Hofs -
sichtbar zwischen ihren Händen, von Daumen
und Zeigefinger umfaßt, ein wenig nach oben gedrückt,
Darunter noch ein Stück Haut, und nur
vom Gürtel das Kleid an den Hüften fixiert.
Verhangener, inständiger Blick,
der ihr gestattet, den Stoff unter dem Nabel
auseinanderklaffen zu lassen. Strümpfe, deren Ansätze,
dazwischen Gewölle. So hat sie sich auf der Couch
vor dem roten Telefon hingebreitet. Kein Anruf,
doch dumpfe Schläge von draußen, Gerumpel:
Mülltonnenleerung, und die Leerer bleiben unsichtbar.
Würd ich das Buch öffnen, wär ich von Frauen umgeben,
die einander abwechselnd küßten, wie auf Befehl:
innig, ausdauernd, mit und ohne sichtbare Zungen.
Könnte mich nicht lösen, Füße Beine Schuhe vergessend;
überhaupt das Gehn. Spürte nur warmen nassen Sinn
(Donnerstag, 20.4.00, 11.10 Uhr, Berlin)
(Erschienen in: Obachter, Edition Korrespondenzen, 2007)
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