weil da oben die tante steht, weil der tisch zur seite gerückt werden muß, weil man sonst nicht dazukommt, weil der tisch staubig ist, weil das essen draufsteht. es ist zeit zum abendessen, die großmutter wartet schon. die großmutter wartet schon, denkt die tante, das bett der großmutter steht hinter dem verschlag, es ist noch ungelüftet. der arzt war schon dreimal da. weil essensreste, verdauungsreste, lebensreste und rückstände an, auf und in allen gegenständen, in allen zimmern zu bemerken sind, weil die luft schal ist, eine geruchsluft. weil im halbdunkel in der halbdunklen ecke vor dem kasten da oben auf dem staubigen, vorher schreiend abgeräumten tisch, den rock steif vom essen, vom essensdreck, von der ausgetrockneten essensfeuchtigkeit, vom rotz, vom schleim, von der schleimansammlung ihrer eigenen und der der großmutter, die unter der schweren tuchent im feuchten zimmer liegt, die mit fieber, das sie fantasieren läßt, liegt, besser fantasieren als fantasielos vegetieren, sie vegetieren, sagt der bruder bzw. sohn, sie sind wie tiere, sie ersticken im dreck, welche tiere ersticken im dreck? der bruder bzw. sohn steht in der ecke und hebt den krampen. am bett der großmutter ist nichts zu rütteln, auch nicht an ihrem erinnerungsgebäude aus ihren besten stunden, aus ihren völlig veränderten besten stunden, bei ihrem erzähl und ausschmücktalent, alles handarbeit als ehemals im schuldienst tätige, sozusagen spezialistin für stick- and strickarbeiten. es ist schwer für herrn petok, nein zu sagen. er steht in der rostigen gartentür and hält seine tasche mit den eben gekauften marillen schon lange in der hand, die faulen kommen zum vorschein. es ist diesmal eine ungewöhnlich lange geschichte. na sehn sie, sagt die großmutter, und herr petok sieht wirklich das junge mädchen und die jungen verehrer des jungen mädchens und die rettung des jungen mädchens durch den hübschesten jungen verehrer. die luft ist zu riechen, die marillen faulen, sie faulen wie eh unter je, aber herrn petoks frau macht ihrer ungehaltenheit zum letzten mal luft, bevor sie ihn suchen geht. weil die installateure den boden nicht aufreißen wollten, weil ihnen ihre frauen wie immer von der pfuschzeit etwas wegstehlen wollen, weil auch der samstag den frauen gehören soll, weil die kinder einmal aus der fernsehwahrheit entkommen sollen dürfen. die tante dreht die birne heraus, ihr bruder haut mit dem krampen so in den beton, daß alles zittert und scheppert. die birne in der einen hand der tante, der krampen in der einen hand der bruders. die frauen der installateure sind meistens ehemalige, zumindest die frau des einen. was die großmutter von der arbeit der installateure mitgekriegt hat während ihrer gürtelrose. was im alten doktorbuch steht über gürtelrose. was aber auch drinnen steht über keuschheit und onanie: daß keuschheit erlaubt und onanie verboten, und daß der sogenannte keuschheitsgürtel beiden bestens diene. was die installateure und die frauen der installateure sicherlich nur mehr höchst vage in erinnerung haben. was sie von derzeitiger lust und derzeitigem lustgewinn wissen aus erster und zweiter hand. was sich beide denken, welchen unterschied sie spüren beim berühren der flanschen, beim berühren von flachs, beim drehen der gewindeschneidemaschine, beim anblick des glühenden metalls in der schweißbrennerflamme. was die tante weiß von ihrem entlaufenen mann, während des kriegs einfach abgehauenen manns. ob sie die fotografien, falls vorhanden, manchmal nach oben dreht. gewußt habe ich natürlich nichts, sagt herr petok, ich lasse die nachbarn halt reden. die namen der nachbarn sind unbekannt. sie wohnen halt da, man sieht sie halt manchmal mit kind und einkaufstasche, man hört so manches, das kind, die einkaufstasche, das kind hat schwarze augen, die mutter blaue, die waden der mutter sind fast so dick wie das kind, die waden gehen, das kind geht, und die pralle einkaufstasche schwebt daneben schlenkernd durch die luft. was die tante den nachbarn erzählt, was von der wahrheit der tante in ihre umgebung gedrungen ist, von ihr aufgesogen worden ist, für welche farbveränderungen die tante verantwortlich ist. woher der wein stammt, der aus der unabsichtlich zertrümmerten flasche rinnt und den dann der bruder bzw. sohn aus neugier(?) kostet, wobei ihm diese kostprobe einen verdorbenen magen einbringt und eine kurze furcht vor vergiftung. der rotbraune fleck im gelbbraunen sand, das neu eingeleitete licht im keller, der frisch abgerissene verschlag, die im verschlag in einer morschen kiste gefundenen weinflaschen. man sieht einen mann, der die jugoslawischen trauben von der hecke im schrebergarten abklaubt, die trauben händisch preßt, den saft in flaschen abfüllt, den saft gären läßt. man sieht einen toten mann, der die jugoslawischen trauben von der hecke abgeklaubt hat. was die großmutter träumt, sagt sie nicht. aber in ihren erzählungen, auch in denen, die sie nicht erzählt oder die sie nur zu erzählen beginnt und nicht weiterkommt, weil dann diejenigen, die zuhören sollten, sich umdrehn und weggehn, nachdem sie sagten oder auch nur dachten: wir kennen das schon, obwohl sie es noch gar nicht kennen, jedenfalls nicht in dieser fassung, ist dieser tote neben vielen anderen toten ein besonderer toter, wohl wegen des weins. was der draht zu bedeuten hat, der hier aus dem mauerwerk ragt, warum ihn die tante um keinen preis angreifen mag. die birne ist jetzt in der fassung, die krampenspitze unter dem bretterboden. der schrei ist jetzt noch im mund der tante, der schrei noch im mund des bruders/sohns, die milchflaschen noch in der einkaufstasche, die brotwecken die semmeln das mehl der zucker das salz, was die nachbarn halt so zum kochen brauchen. die genügsamen nachbarn, die hinter zerbröckelnden mauern unter dem schadhaften dach bei schwachem licht sowohl tags als auch abends. nachts sind die nachbarn schwarz, die tante und die großmutter auch, ihre fenster und türen mit papier verpickt, packpapier, zeitungspapier, sie wollen nur ihr licht, ihre luft. es ist unser mittagessen, sagen die installateure, sie sind ganz blaß, sie halten sich ihre bäuche. wenn wir die katze erwischt hätten, die würde jetzt an der wand kleben. was ihre frauen zu solch empfindlichen mägen sagen, wie ihre mägen auf andere gerüche reagieren, auf haarspraygeruch und haarschampoogeruch und haarcremegeruch und haarfärbemittelgeruch, auf die gerüche ihrer noch nicht zimmerreinen kinder. wenn der große pappi gleich umfällt, wie soll der kleine pepi grad stehn? der lampenschirm in der einen hand der tante, der krampen in der einen hand des bruders. katzen liebt sie über alles, sagt herr petok, wobei aber zu bemerken ist, daß das hier stadtkatzen sind im gegensatz zu den landkatzen. stadtkatzen stinken, landkatzen riechen. die stadtkatzen fressen aus einer schachtel voll durchnäßter sägespäne, die neben der kellerstiege steht. die installateure gehen jeden samstag die kellerstiege mindestens zwanzigmal auf und ab. der schirm in der einen hand der tante, der krampen in der einen hand des bruders. weil die großmutter nebenan hinter der dämmplattenwand unter der feuchten tuchent mitten in der schalen luft mit ihrer gürtelrose im gesicht und dem fieber im ganzen körper. weil die tochter sich ihrer mutter erinnert, weil krankheit die eine herrisch, die andere hilflos macht. weil begründungen fehl am platz sind. weil der mann der tante, weil sie von der rente ihrer mutter, weil sie ohne mutter nicht, weil begründungen fehl am platz sind. weil die bewegung fortgeführt werden muß, weil die zeit nicht stillsteht. es ist zeit zum abendessen, die großmutter wartet schon. die zeit der großmutter ist in der zeit des herrn petok nicht mehr die zeit der großmutter und schon gar nicht in der zeit von herrn petoks frau. der arzt war schon dreimal da, aber was kann ein arzt gegen ein doktorbuch? das doktorbuch wird aufgeschlagen, und herausspricht die zeit, in der man jung war, und nur die jugend zählt. na sehn sie, sagt die großmutter, aber diesmal spricht sie mit sich, das heißt mit ihren erinnerten verehrern, mit ihrem erinnerten lebensretter in seiner hübschen jugend. nur den lärm hinter der dämmplattenwand, den kann sie sich nicht erklären. doch er klingt für sie weiter weg, als die tante befürchtet hat. noch immer die tante mit dem schirm in der einen hand, der bruder schon zum wievielten mal mit dem krampen in der einen. der boden zittert, staubt, der löschkalk staubt, der rock der tante ist voller staub, auf dem staub der tischplatte kann man die tritte der tante zählen, der schweiß auf der stirn der bruders bzw. sohns ist grau. herr petok steht in der tür und ist beinahe nicht zu sehen. als dann der schirm am boden zerbirst, bleibt die krampenspitze im soeben durchschlagenen brett stecken. als der schuft aus dem mund der tante herausgeschleudert ist, duckt sich der bruder und läßt den krampen stecken. als der mörder aus dem mund der tante herausgeschleudert ist, duckt sich herr petok. der bruder richtet sich auf und springt zum tisch. als der mörderbruder beim tisch steht, schleudert die tante ein messer aus ihrem mund. der bruder nimmt es mit seinem mund und ersticht sie. als der bruder die wirkliche hand genommen hat, als der bruder die wirkliche. na sehen sie, sagt die großmutter zu herrn petok, der gar nicht vor ihr steht, sondern eine unzahl von verehrern, die alle ein bißchen den installateuren ähnlich sehen, die marillen essend auf den bäumen im schrebergarten sitzen. na sehen sie, sagt sie, ich weiß, was ich sage
(sonntag, 8. bis dienstag, 10.2.1970)
(Blick ins Nebenzimmer:
Essere etrusco 10)