O-09 HAUS AM MEER MIT BRAUT
in Wahrheit ein Blick auf Fotos, einen Film,
von mir gedrehte Dreibisfünfminuten, Blick
auf die Hochzeitsreise, das schäumende, dunkel
kostümierte Meer, auf die Flut, die sich von unten den Berg
hinaufdrängt, zu den winzigen Füßen der Braut hin,
die etwas jetzt schwer Erkennbares trägt, vielleicht
ein englisches Minikleid, schließlich, auf den Klippen
thronend, mit dem Ehering winkt - und rechts der Sog
des verlassenen Gemäuers, mit den Spuren der Trauer
der entkommenen Bewohner, so als ob ein Sturm
die Türen und Fenster herausgerissen hätte, alles
umgeworfen, das Dach abgedeckt, und schon
nähern sich Helikopter, alles liegt auf dem Boden,
starr, ausgesetzt dem Geräuschterror, Körper
rollen den Hügel hinunter, die Küche brennt, das Bad
trocknet aus, die Bilder zerrinnen, Haut löst sich ab,
Knochen klirren, Blut versickert, das Herz pumpt
weiter, weiter, weiter - und die Braut wächst riesengroß
aus ihrem eigenen Bauch heraus, gebiert eine Puppe
nach der andern, die ihr aufs Haar gleicht
(Freitag, 3.1.1997)
(Blick ins Nebenzimmer: Essere etrusco 20)