EU-05 WEDDING & BEAUTY (GERRARD STREET)

es war dein Geburtstag
welcher, wolltest du nicht sagen.
Ich wußte, ich durfte es nicht verraten
hier im Harbour City.
Mein Magen, sagte ich
und trank nur Cola, aß nur Reis.

Du hattest fünfzig Lippenstifte ausprobiert,
auf dem linken Oberarm.
Wir waren auch schon im Teddybärengeschäft gewesen.
Ich hatte die meisten Stofftiere berührt:
Willst du das? Oder das?

Du verneintest stets, wünschtest dir
nochmals einen Gang durch die Electric Avenue:
Brotfrüchte kaufen,
exotische Fische hin- und herwenden,
mit den Verkäufern fachsimpeln.

Ich sollte inzwischen im McDonald’s sitzen,
endlich Fotos von Schwarzen machen -
hatte ja nur so getan, als würde ich abdrücken,
dir damit den Geburtstag schon im voraus versaut.

Doch die Strafe war der Geburtstag selbst:
die Erwartung, daß er ausblieb,
daß es kein Tag werden würde,
der dem Einwickelpapier entstieg wie ein Präsent,
kein Tag voller Geschenke,
die genau deinen Wünschen entsprachen.
Ein Tag, an dem du ohne irgendeinen Wunsch aufwachtest
und bis in die Nacht hinein wunschlos durchhieltst.

Achtung!, sagte der Kellner, Aufnahme!
Achtung, Wedding & Beauty!
Er öffnete die Tür zum Studio -
Bräute, mit arglos vornüber gebeugten Köpfen.
Und rechts chinesische Zeichen,
immer kleiner im Hintergrund versinkend.

Wir verließen das Lokal in die andere Richtung.
Dort wartete das Glück in Form von kleinen Blitzen,
die du, wie ich dir prophezeit hatte,
erst bei völliger Dunkelheit im Kleiderschrank sahst –
beim langsamen Zerdrücken meiner Hustenbonbons*),
mit offenem Mund und einem Spiegel davor

*) WintOGreen Life Savers
(siehe Robert L. Wolke, Was Einstein seinem Friseur erzählte, S. 114 ff)

(Donnerstag, 12.07.2001, 12.30 Uhr, London)

(Erschienen in Eurotunnel, Literaturedition Niederösterreich, 2005)

(Blick ins Nebenzimmer: Essere etrusco 09)

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